Vorläufige Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine

Ich bin ratlos. Ich kann bis heute keine explizite Stellungnahme formulieren, die über die Ablehnung dieses Kriegs - wie jedes anderen Krieges auch - hinausgeht. Ich halte den Krieg für einen Fehler, gleichwohl ich die Ursachen des Krieges in den ihm zugrundeliegenden, geopolitischen Entwicklung nachvollziehen kann. Er wird diese aber nicht auflösen - momentan sieht es eher nach dem Gegenteil aus - und er wird unsägliches, menschliches Leid nach sich ziehen, und zwar auf beiden Seiten der beteiligten Kriegsparteien. Ich fürchte, dass der Krieg mittel- und langfristig die Międzymorze, das Intermarium zementieren wird und dass er keineswegs einen Eisernen Vorhang zur Folge haben wird, wie derzeit immer wieder zu hören ist, sondern einen titanstählernen, kilometertief einbetonierten, hinter dem Russland diesmal aber alleine ist, zumindest je nach Standpunkt aus bzw. in Richtung Europa gesehen. Im schlimmsten Fall wird es den USA gelingen, ihr aus der Sicht ihrer Geopolitiker größtes geostrategisches Problem bei der Sicherung ihrer Hegemonialinteressen endgültig zu lösen, nachdem alle bisherigen Versuche mehr oder hin und wieder auch weniger gescheitert sind und das unter dem Stichwort "Heartland-Theorie" zu verstehen ist, die Halford Mackinder schon 1904 formulierte und die Zbigniew Brzeziński 1997 in seinem Buch "The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives" aufgriff. Derzeit versuche ich herauszufinden, was die föderale Administration zu diesem Schritt bewegt haben könnte, wozu ich verschiedene geopolitische Texte sowohl russischer als auch US-amerikanischer Geopolitiker übersetze und zu verstehen versuche. Ein ausführlicher Text zu etwaigen Resultaten folgt später.

Mein persönlicher Punkt in dieser entsetzlichen Situation ist, dass mich das Geschehen essentiell, ich könnte sogar sagen existentiell, im Kern meiner Überzeugungen - pathetisch formuliert meines Seins - betrifft und berührt. Ich weiß noch nicht, was sich als Haltung zu dieser Katastrophe für mich ergibt, doch eines ist klar: Es wird weder ein Bekenntnis gegen die Russländische Föderation als Land sein noch eines für die Ukraine als Staat. Nichts von dem, was ich dazu schreibe, sollte so verstanden werden. Der grundsätzliche Aspekt für diese Verweigerung eines "Bekenntnisses" ist, dass es für mich als Deutscher 27 Millionen (mindestens) Gründe gibt, mich in der Bewertung, geschweige denn der Beurteilung russischer Politik, insbesondere der Innenpolitik, bedeckt und zurückzuhalten. Auch aus dieser Haltung heraus erklärt sich meine Ratlosigkeit.


Das ist das Bild, das die russische Sängerin Земфира (Semfira) noch als einziges in Instagram hat, nachdem sie alle anderen gelöscht hat. Wie lange sie sich das nach der jüngsten Änderung des russischen Mediengesetzes noch erlauben will resp. kann, ist eine offene Frage.