Das Massaker von Katyn vor Gericht?

Der polnische Präsident Andrzej Duda gab, wie Zeit online meldete, bekannt, dass Polen beabsichtigt, das vom 03.04. bis zum 11. 05.1940 dauernde Massaker von Katyn an polnischen Offizieren, Intellektuellen und Priestern vor einem internationalen Gericht als Kriegsverbrechen anzuklagen. Das Massaker wurde international schon mehrfach als solches bestätigt und als Kriegs- und Staatsverbrechen bewertet, unter anderem 2009 im polnischen Sejm. Allerdings bringt man keine Ereignisse, sondern die für diese Ereignisse verantwortlichen Täter vor Gericht, doch wer war das in diesem Fall? Der Russe als solcher und an und für sich? Also sehen wir uns an, wer für das Massaker verantwortlich war.

Der Planer des Massakers Lawrenti Beria war Abchase bzw. Georgier. Beria war ab November Chef des NKWD, das fälschlicherweise auf den Geheimdienst reduziert wird, auch Wikipedia ist hier oft nicht korrekt. Das NKWD war das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten der UdSSR (Народный комиссариат внутренних дел СССР), also quasi das Innenministerium. Der gemeinte Geheimdienst des Innenministeriums war ab 1934 die GUGB (Hauptverwaltung für Staatssicherheit) und ab 1941 das NKGB (Volkskommissariat für Staatssicherheit). Der Befehlshaber und für die Durchführung des Massakers Verantwortliche war der Weißrusse Iwan Stelmach. Die Opfer des Massakers wurden mit deutschen Walther-Pistolen erschossen, die Munition lieferte die Berliner Gustav Genschow & Co (heute zu RUAG Ammotec gehörend) - noch galt der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt.

Stalin fasst entgegen der landläufigen Meinung den Beschluss zum Massaker nicht alleine, sondern er wurde im Politbüro der KPdSU gefällt. Allerdings waren zu jener Zeit die Russen im Politbüro in der Minderheit, lediglich drei Mitglieder des Politbüros in der Zusammensetzung von Anfang 1940 war Russen: Wjatscheslaw Molotow (Unterzeichner), Michail Kalinin (Zustimmung notiert) und Andrei Andrejew. Die anderen Mitglieder waren Angehörige dieser Völker bzw. Ethnien: Josef Stalin - Georgien (Unterzeichner), Kliment Woroschilow - Ukraine (Unterzeichner), Lasar Kaganowitsch - Ukraine (Zustimmung notiert), Anastas Mikojan - Armenien (Unterzeichner), Andrei Schdanow - Ukraine, Nikita Chruschtschow - Ukraine. ("Unterzeichner" bzw. "Zustimmung notiert" meint die Vermerke auf dem formellen Beschluss des Politbüros.) Bogdan Kobulow, der in Vertretung von Berija im Protokoll mit Zustimmung notiert wurde, war Georgier. Kobulow war ab 1938 war er Leiter der Besonderen Untersuchungsabteilung des Volkskommissariats für Staatssicherheit (NKGB) und ab 1941 Berijas Stellvertreter.

BTW - der Gründer der Organisation, aus der die nachfolgenden sowjetischen Geheimdienste einschließlich GUGB und NKGB hervorgingen, der Всероссийская чрезвычайная комиссия по борьбе с контрреволюцией, спекуляцией и саботажем (Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage), kurz ВЧК, bekannt als Tscheka, war Feliks Dzierżyński - und der war ethnischer Pole.

Wen also will Polen vor Gericht - vor welches auch immer - bringen und - wie auch immer - zur Verantwortung ziehen (denn nur so macht ein Gericht Sinn) - die Ukraine, Russland, Georgien, Weißrussland, Deutschland oder alle zusammen? Völkerrechtlich ist die Sachlage allerdings schwierig, weil sich die internationalen Experten über die Rechtslage uneinig sind. Ab dem 11.03.1990 begann mit der Unabhängigkeitserklärung Litauens die Auflösung der UdSSR, am 11.12.1991 war die Russische SFSR (Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) mit Kasachstan alleine in der UdSSR, das am 16.12.1991 seine Unabhängigkeit erklärte. Weil die RSFSR am 12.12.1991 zwar formal ihre Souveränität, aber - im Gegensatz zu den anderen 14 der 15 Sowjetrepubliken - nicht die Unabhängigkeit erklärte, war die RSFSR praktisch allein in einer leeren Hülle formerly known as Soviet Union. Weil aber eine Union von Staaten mindestens zwei völkerrechtliche Subjekte umfassen muss, gab es keine Union im eigentlichen Sinne mehr. Das formale Versäumnis einer Unabhängigkeitserklärung machte die Russische Föderation irgendwie zum Rechtsnachfolger der Sowjetunion, allerdings ohne das wirklich zu sein.
Es bleibt also die Vermutung, dass Polen die aktuelle Situation quasi als "Gunst der Stunde" sieht, um Russland und die Russen per se als mass murderers by nature darzustellen und solcherart propagandistisch zu nutzen

Ansonsten - #нетвойне

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