Seit dem ersten überlieferten Toleranzedikt, nämlich dem des persischen Königs Kyros II., der im Jahr 538 v. Chr. mit diesem Edikt den Israeliten die Heimkehr aus dem babylonischen Exil gestattete, ist Toleranz ein Gebot gesamtgesellschaftlichen Handelns. Toleranzgebote wurden und werden oft auch sanktioniert. Deshalb wurde der seinerzeit sehr bekannte Theologe und Kirchenlieddichter Paul Gerhardt aus seiner Anstellung entlassen und musste Berlin verlassen, weil er sich weigerte, das Toleranzedikt des Brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. vom 16.09.1664 anzuerkennen. Die wohl schönste resp. poetischste Variante stammt von Friedrich II. von Preußen, der am 22.06.1740 als Antwort auf eine Anfrage bzgl. der Schließung der römisch-katholischen Schulen in Preußen schrieb: »Die Religionen Müßen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal nuhr das auge darauf haben das keine der anderen abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon Selich werden«. Man kann eine Religion, eine Weltanschauung resp. deren Anhänger, Vorlieben, Identitäten usw. ablehnen, verachten oder gar hassen - aber jede und jeder hat sie zu tolerieren im Sinne Kants, nämlich in Ermangelung anderer vernünftiger, weil den sozialen Frieden wahrender Möglichkeiten - »das keine der anderen abruch Tuhe«. Wir können getrost davon ausgehen, dass Friedrich der Große ganz bewusst schrieb, »hier MUSS ein jeder nach seiner Fasson selig werden« und nicht "darf ... selig werden".

Präsidenten der USA und ihre Kriege

Genau hier liegt der der kategorische Unterschied zur Akzeptanz als gutheißendes, befürwortendes, anerkennendes Annehmen. Toleranz ist ein über die Jahrtausende gewachsener - wenn auch hin und wieder brüchiger - gesellschaftlicher Konsens insbesondere der westlichen Gesellschaften in der griechisch-römischen Philosophie- und Rechtstradition und steht damit im sozialen Kontext. Akzeptanz hingegen ist ausschließlich auf der individuellen Ebene angesiedelt, die in Mode gekommene Rede von "gesellschaftlicher Akzeptanz" ist ideologisch induzierter Unsinn. Akzeptanz ist abhängig von der individuellen Lebenswelt und den daraus resultierenden Erfahrungen sowie vom persönlichen Verhältnis der Akzeptanten - der Akzeptanzgeber und -empfänger - zueinander. Deshalb ist es nicht nur möglich, sondern Alltag, dass Menschen bei bekannten, befreundeten oder verwandten Menschen etwas akzeptieren, das sie bei fremden Mensch nicht akzeptieren und hin und wieder nicht einmal tolerieren. Zum Beispiel kann ein Mensch akzeptieren, dass sein Freund evangelikaler Christ ist, kann aber zugleich den muslimischen Nachbarn nicht akzeptieren. So kann ein Mensch akzeptieren, dass ein guter Bekannter mit seinen Freunden von der Antifa hin und wieder in Leipzig, Berlin oder HH ganze Stadtviertel zerlegt, duldet zugleich aber lautstark im Duett mit Grönemeyer keinen Millimeter nach rechts. Aber was definitiv nicht geht - man kann Akzeptanz nicht einfordern oder gar erzwingen, jedenfalls nicht vernünftigerweise. Mit dem Versuch erreicht man im "besten" Fall Heuchelei bei der freilich nicht kleinen Schar der Opportunisten.

Ein weiterer Punkt betrifft den heute üblicherweise von den Kämpfern - sorry, Kämpfer*innen für Diversity und Gender Equality verwendete Begriff Binarität zur Kennzeichnung des tradierten Verhältnisses der Geschlechter. Menschen sind nicht binär, auch ihre Geschlechtlichkeit nicht, denn sie sind keine Nullen und Einsen. Eine Definition der Binarität in ihrem ganzen Irrwitz habe ich auf der Webseite des TransInterQueer e.V. gefunden - und so verwenden die Verfechter der Diversität den Begriff auch: »Binär bedeutet, dass etwas in genau zwei sich gegenseitig ausschließenden Gegensätzen gedacht wird. Also dass es Geschlecht nur entweder als männlich oder weiblich gibt, und jeweils das eine das Gegenteil des anderen darstellt.«
Kein Mensch, der noch alle Latten am Zaun hat, denkt so und dies seitens der Diversitätsverfechter anderen, von denen sie sich "nur" toleriert, aber nicht hinreichend akzeptiert fühlen (wobei sie sich anmaßen zu entscheiden, was hinreichend genug ist) per se und in toto als Denken zu unterstellen, ist perfide. Darüber hinaus wird auch hier wieder wüst mit den Begriffen jongliert. Der Mensch ist - auch wenn Gläubige das anders sehen - ein biologisches Wesen und das am weitesten entwickelte Säugetier. Als solches hat er - wie alle anderen Arten in Flora und Fauna auch - eine evolutionäre "Aufgabe", nämlich seine Art zu reproduzieren, sich (als Säugetier) qua Natalität zu vervielfältigen. Allerdings hat der Mensch die Freiheit, die Annahme dieser "Aufgabe" bis hin zur Verweigerung selbst zu entscheiden, was idealerweise eine Entscheidung des Willens sein sollte. In diesem evolutionären Kontext gibt es exakt zwei Geschlechter, die aber keine Binarität darstellen, sondern eine Dualität im Sinne eines zwar verschiedenen, aber nicht gegensätzlichen, sondern sich im evolutionären Kontext ergänzenden Paares.
Nun ist der Mensch als am weitesten entwickelte Spezies und im Zuge der Menschheitsgeschichte ein individuelles Wesen geworden, weswegen er nicht nur ein biologisches Geschlecht hat, sondern auch eine soziale Identität, welche die sexuelle Identität einschließt. Hier sind die Grenzen fließend - und das war schon immer und allen Kulturen so, mal mehr, mal weniger toleriert, wobei die von den abrahamitischen Religionen dominierten Regionen die intolerantesten waren und in Teilen noch immer sind. Die sexuelle Identität kann sich in der Dualität der biologischen Geschlechtlichkeit bewegen und tut es bei der Mehrzahl der Menschen auch. Sie muss es aber nicht und kann sich zwischen den beiden Teilen bewegen. Das ist eine Frage diverser und komplexer Entwicklungen von der frühkindlichen Prägung bis ins fortgeschrittene Alter, das en detail zu erörtern, führte hier zu weit. Tatsache ist, dass der Begriff Identität vom spätlateinischen identitas stammt, was Wesenseinheit bedeutet. Exakt das sollte unter Identität verstanden werden, nämlich die individuelle, in sich ruhende Einheit mit dem eigenen Wesen resp. der eigenen Wesensart als (nach Wikipedia) Gesamtheit der Eigentümlichkeiten, die ein Individuum von anderen unterscheiden. Das bedeutet einerseits, dass man Identität nicht geschenkt bekommt, die muss man sich erarbeiten, gelegentlich auch erkämpfen. Das bedeutet andererseits, dass Identität primär unabhängig von der Akzeptanz Dritter ist. Wer seine Identität doch von der Anerkennung anderer abhängig macht oder sie von fehlender Akzeptanz beeinträchtigt sieht, hat in der Tat ein Identitätsproblem, das aber ausschließlich seines ist und nicht das anderer Menschen und das lässt sich nicht dadurch lösen, dass man seine Identität auf Fahnen und Transparente malt und damit durch die Straßen latscht.
BTW - #AllLivesMatter

Quelle TransInterQueer e.V.: http://www.meingeschlecht.de/mcm_glossary/binaritaet-binaer/
Bildquelle (Public Domain): https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Friedrich_II_Zitate.jpg