Frank Zappa - Würdigung eines Genies zu seinem 80. Geburtstag

»You couldn't say, oh yeah, that's rock and roll, 'cause it wasn't. It's jazz? No. It's pop music? No. Well, what the hell is it? It's Zappa!« [Quelle]

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Heute, am 21. Dezember, wäre Frank Zappa achtzig Jahre alt geworden, wenn er nicht am 4. Dezember 1993 nach langer, schwerer Krankheit verstorben wäre. Es gibt nur wenige Musiker, welche die moderne Musik - nicht nur die Pop- und Rockmusik, sondern auch den modernen Jazz und die sogenannte Ernste Musik - so nachhaltig prägten, auch wenn das den wenigsten Musizierenden bewusst ist und die allerwenigsten Konsumenten es auch nur ahnen. Darüber hinaus prägte Zappa die Pop-Kultur insgesamt, man denke beispielsweise an die ikonografischen Bilder wie das berühmte "Toilet Poster", 1967 von Robert Davidson für die International Times (nicht zu verwechseln mit der Times) fotografiert ...
https://davidsononline.co.uk/wp-content/uploads/2018/07/000zappa-product.jpg
... oder das Cover des Albums "We're Only in It for the Money" (März 1968), eine grandiose Persiflage auf das Cover des Beatles-Albums "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" (Mai/Juni 1967), ...
https://i.pinimg.com/originals/6c/89/68/6c89684c62c0c688a3b172890bf8f99a.jpg
Wobei das Zappa-Album selbst - wie der Name schon sagt - den Hedonismus als "Lebensstil und Selbstverständnis der US-amerikanischen Gesellschaft und insbesondere der 68er-Generation" (Wikipedia) persiflierte - hier ist es (Playliste):
https://www.youtube.com/playlist?list=PLLD8tmFAugloLybEDe0C_dakiyp5mBDal
Hier einige "Footprints" Zappas in der Populärkultur:
https://en.wikipedia.org/wiki/Frank_Zappa_in_popular_culture

Meine Lieblingsalben von Zappa sind in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Frank Zappa - More Trouble Every Day (Text)

Zappa unterschied sich in einigen Punkten von anderen Rock- und Popmusikern. Da wären als erster Punkt seine Qualitäten als Gitarrist zu erwähnen. Kennzeichnend waren sein Experimentierfreude, die eher unübliche Länge seiner Gitarrensoli, die bis zu zehn Minuten dauern konnten, und dass er niemals trotz der gewaltigen Zahl an Produktionen redundant wurde. Außerdem bezog Zappa im Unterschied zu den meisten Gitarristen der Rock- und Popmusik sämtliche Lagen des Griffbrettes in sein Spiel ein. Er selbst sah seine Qualitäten eher nüchtern: "Ich bin kein virtuoser Gitarrenspieler. Ein Virtuose kann alles spielen, ich kann das nicht." Zappa beeinflusste viele Gitarristen und Bands, hier eine Auswahl:
https://en.wikipedia.org/wiki/Frank_Zappa#Artists_influenced_by_Zappa
Auf der Liste fehlt Matthew Bellamy (Muse), der eindeutig von Zappa inspiriert ist, insbesondere in der Nutzung des Griffbrettes. Das mag der Grund seine, dass ich - auch wenn Melodik und Rhythmik bei Muse eine ganz andere sind - schon beim Sehen resp. Hören meines ersten Live-Videos von Muse auf YouTube Fan war, ich meine das hier:
https://www.youtube.com/watch?v=M6Bv8RyZ9RU

Zweiter Punkt - Zappa war ganz sicher der produktivste Musiker aller Zeiten, er hat in den 27 Schaffensjahren zu Lebzeiten 62 Alben herausgebracht, was durchschnittlich 2,3 Alben pro Jahr macht. Der unveröffentlichte Nachlass war gewaltig, woraus weitere 54 posthum veröffentlichte Alben mit bis dahin unveröffentlichten Studio- und Live-Aufnahmen entstanden, wovon allerdings der größere Teil eher für beinharte Fans und Musikwissenschaftler als für ein breiteres Publikum von Interesse ist. Man muss auch als Zappa-Fan nicht alle mögen, aber keines der Alben war, wie das heute eher die Regel ist, schnell wegproduzierter Schrott, weil Musiker und Label das Geld brauchten. Jedes der Alben ist auf seine Weise einzigartig und ein Meisterwerk.
Hier die vollständige Diskografie: https://en.wikipedia.org/wiki/Frank_Zappa_discography
Suchstring auf YouTube für Zappa-Alben: https://www.youtube.com/results?search_query=frank+zappa+full+album

Der dritte Punkt ist, dass Zappa immer ein politischer Mensch war, der sich explizit politisch äußerte. Er war ein Verfechter absoluter Meinungsfreiheit und gegen jede Form der Zensur, als solcher trat er auch bei Senatsanhörungen auf, als es um die Zensur von Rockmusik ging. (Es ist eine interessante, aber spekulative Frage, ob Zappa das heute angesichts der Totalidiotisierung - um nicht zu sagen Kretinisierung - in den "sozialen Medien" noch wäre.)

»What I always say is that politics is the entertainment branch of industry.«
(RockHEAD-Interview, 1990)
»The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way, and you will see the brick wall at the back of the theatre.«
(TV-Interview, 1987)

Dabei war er absolut unabhängig, er ließ sich von keiner Seite und keiner Person vereinnahmen, geschweige denn, dass er sich - wie Bono und Konsorten - irgendwo anbiederte. Deshalb war und ist Zappa weder bei den "Linken" noch bei den Konservativen und schon gar nicht bei den Verfechtern der Political Correctness beliebt. Den deutschen "Linken" bescheinigte er nach einer, nun ja, intensiven persönlichen Begegnung Ende 1968 dies: »Die deutsche Jugend hat sich nicht weit von ihren Vorgängern in kurzen Hosen entfernt. Die Jungs tragen zottelige Bärte und die Mädchen Perlenketten und lustige Klamotten. Aber sie sind Nazis wie ihre Väter und Mütter, sie verhalten sich wie Nazis. Das Problem ist, dass sie sich für eine neue Linke halten.« Mehr von Zappas politischer Haltung in der Rubrik "Interviews".

Zappa war - das ist der vierte Punkt - nicht nur ein exzellenter Musiker, sondern auch ein ebenso guter Geschäftsmann, womit ich nicht die seit geraumer Zeit in der Branche übliche Beutelschneiderei meine. Vielmehr organisierte Zappa schon früh seine Geschäfte selbst, um sich seine musikalische und politische Unabhängigkeit zu sichern, zunächst seit 1969 mit Bizarre Records, ab 1980 dann mit Barking Pumpkin Records, wo er die letzten 21 Scheiben realisierte. Am 15.11.1990 gründete er mit seiner Familie den Zappa Family Trust, der seit seinem Tod Zappas Erbe, sein nachgelassenes Werk, alle Unternehmen (drei Label, ein Versandhandel und Zappas Studio) und die sehr umfangreichen Markenrechte verwaltet.

Fünfter Punkt - Zappas Arbeitsstil unterschied sich wesentlich von dem der meisten seiner damaligen (und den meisten seiner heutigen) Kollegen. Zappa betrieb die Mothers of Invention wie ein Unternehmen, er war ein Workaholic, bestand auf absoluter Pünktlichkeit und wer alkoholisiert oder anderweitig drogenbenebelt zu Proben, Studioaufnahmen oder gar Konzerten erschien, flog sofort und ohne Pardon aus der Band. Seine Drogen waren Unmengen von Nikotin und Koffein, grundsätzlich hatte er jedoch eine liberale Haltung zu Drogen. Er vertrat die Ansicht, dass der Konsum derselben jedermanns eigene Angelegenheit und eigenes Risiko wäre, dass der Konsum aber dann problematisch und inakzeptabel wäre, wenn er Dritte in ihrem Handeln, ihrer Freiheit und ihrer physischen und psychischen Integrität beeinträchtige.

Und schließlich der sechste Punkt, der Zappas Leben von seinen Kollegen unterschied - es war absolut skandalfrei. Zappa war seit September 1967 bis zu seinem Tod mit seiner Frau Gail verheiratet und hatte mit ihr vier Kinder - Moon (1967), Dweezil (1969), Ahmet (1974) und Diva (1979). Über Groupies macht Zappa sich zwar gerne lustig, es ist aber nicht überliefert, dass er je ihre Angebote in Anspruch genommen hätte. Sein strenges Regime in Sachen Alkohol und Drogen führte dazu, dass Zappa und die Mothers allen Hotelmanagern dieser Welt zwar skurrile, aber gern gesehene Gäste waren. Infantilen Blödsinn wie demolierte Hotelzimmer (Rolling Stones, Beatles) oder wüste Orgien (Slash et al.) gab es nicht.

Ich bin seit früher Jugend, konkret seit meinem 13. Lebensjahr, Zappa-Fan, damals erstand ich für 220 DDR-Mark auf dem Schwarzmarkt als erste Zappa-Platte ausgerechnet mit "Lumpy Gravy" (1967/68, mit dem Abnuceals Emuukha Electric Symphony Orchestra, in der Version von Verve Records) die wohl am schwersten verständliche Scheibe von ihm. (Grundgütiger! Das ist ein halbes Jahrhundert her.) Hier ist sie:
https://www.youtube.com/watch?v=uwyH9rAkugI
Entsprechend schwer tat ich mich damit, aber irgendwie erkannte ich das unglaubliche Potential der Zappaschen Musik, also musste mehr davon her. Ich zog wieder mit einem Handwagen durch Aue (ja, das mit der weltberühmten Fußballmannschaft) und sammelte Wochenlang Altpapier, Glas (Einweckgläser mit Deckel brachten das meiste ein) und Lumpen, um das Ergebnis in der Sekundärrohstoffsammelstelle (so hieß das wirklich) zu verhökern, wobei ich den Gewinn hin und wieder mit einem beherzten Griff in Muttis Haushaltskasse aufbesserte. Nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen, ich betrachtete das als Investition in meine weltanschauliche und sittliche Bildung, was meine Eltern, als ich ihnen die Scheiben in beträchtlicher Lautstärke zumutete, ganz anders sahen. Die nächsten Erwerbungen waren in derselben Preisklasse die vor "Lumpy Gravy" erschienen Scheiben "Freak Out!" (1966) ...
https://www.youtube.com/watch?v=IDE9MC3jnl0&list=PL65E2BFB88DC87EB6
... und "Absolutely Free" (1967, Playliste):
https://www.youtube.com/watch?v=bjw1ec_arf4&list=OLAK5uy_m2ZtCW2av-6BOB9GRzbLcYyFkwbjkwreo

BTW - 1975 betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen in der DDR ca. 800 DDR-Mark. Entsprechend wenig Verständnis brachten (nicht nur) meine Eltern für diese Art der Investition auf. Was mich aber nicht sonderlich beeindruckte und so kam im Lauf der Jahre eine stattliche Kollektion zusammen, zumindest für DDR-Verhältnisse. Ich bin Zappa-Fan geblieben und er gehört zu den wenigen Musikern diesseits der NATO-Grenzen, die ich heute noch höre.

Frank Zappa - Punky's Whips (mit Terry Bozzio in Bestform)

Ergänzend eine Linkliste als unerlässliches Must be Heard bzw. Have to Know, die zumindest ansatzweise Zappas Werk, sein Leben und sein Denken illustriert, unterteilt in die Rubriken Musik, Gitarrensoli und Interviews.

Musik (Live-Videos)

Gitarrensoli (Alben)

Interviews

Tag-Liste: Musik , Zappa