Mythen in Tüten - Jack Parsons und Ron Hubbard

Die nachfolgenden Texte widmen sich der Legende, Ron Hubbard habe im Auftrag des LAPD oder gar des FBI die Agape-Lodge des O.T.O. unter Jack Parsons unterwandert und zerstört. Ich werde zeigen, daß diese, von der Scientology Kirche in die Welt gesetzte Legende frei erfunden ist und letztlich nur der Camouflierung ihrer okkulten Wurzeln und Quellen dient.

Der Dokumentationssachstand seitens der Scientology Kirche

Die Frage, was Hubbard zur Kontaktaufnahme mit Parsons motivierte und was beide Anfang 1946 in Pasadena eigentlich taten, rührt offensichtlich an Essentials der Scientology Kirche in Hinsicht auf ihre Wurzeln und ihre Erörterung – sofern sie nicht mit der Darstellung der Scientology Kirche übereinstimmt – wird in jedem Fall dazu führen, daß man der Kirche - salopp formuliert - irgendwie "auf die Füße zu tritt". Das wurde mir schon nach ersten Erkundungen zu diesem Themenkomplex im Internet klar. Ebenso schnell wurde klar, daß die Darstellungen all jener, die dieses Thema im Kontext der Kontroverse um Scientology ventilieren - sei es als Mitglied oder Befürworter von Scientology, sei es auf der Seite der Weltanschauungsbeauftragten und Kritiker - stets den jeweiligen Opportunitäten ihrer Sicht auf Scientology folgen, mithin propagandistisch konnotiert sind. Also habe ich, um Licht in diese argumentative Finsternis zu bringen, Frau Weber in unserem Gespräch gebeten, mir die offizielle Sicht der Dinge seitens der Scientology Kirche zukommen zu lassen.

Als ich den Text, der nachfolgend als Vollzitat wiedergegeben wird, dann las, beschlich mich zunächst eine gewisse Ratlosigkeit. Was da in der mir zugesandten Dokumentation steht, kann so nicht stehenbleiben, und zwar aus zwei Gründen: Einerseits ist das Statement voller sachlicher Fehler und Ungereimtheiten, da paßt schlicht nichts zu den seinerzeitigen Ereignissen, es entbehrt einer inneren Logik und ist in sich inkonsistent. Andererseits entsprechen die Entäußerungen zum Okkultismus im allgemeinen und zum O.T.O. im besonderen inhaltlich und in der Art ihrer Formulierung exakt und zu 100% denen der bestallten und selbsternannten Weltanschauungsbeauftragten. Also entschloß ich mich zu einer kleinen Recherche, um die sachlichen Fehlern und die Unstimmigkeiten sortieren und benennen zu können.

Zuerst möchte ich die Ausgangslage beschreiben und die für meine Betrachtung verfügbaren und relevanten Aussagen der Scientology Kirche auflisten. Dabei beschränke ich mich auf das, was mir bzw. dem TMO zugesandt wurde, weil es allesamt repräsentativer Natur ist.

Zunächst haben wir die, mir auf meine Nachfrage von Frau Weber zugesandte, Dokumentation der Scientology Kirche. Da finden wir die Ablichtung eines Ausweises, ausgestellt auf Hubbard als Special Officer für die Metropolitan Area von Los Angeles, ausgestellt für das Jahr 1948 - ohne Dienstsiegel oder ähnliches.

Weiterhin finden wir die Ablichtung eines Textes aus der Sunday Times vom 05.10.1969 nebst Übersetzung. Der Text ist kein Bericht der Sunday Times, wie Frau Weber mir schrieb, und auch keine gerichtlich erzwungene Darstellung, wie es die Dokumentation der Scientology Kirche auf Seite 9 und 10 beschreibt, sondern das Ergebnis einer außergerichtlichen Vereinbarung zwischen dem Blatt und der Scientology Church. Deshalb gibt sie keineswegs per se die Sicht der Sunday Times wieder, wie die Formulierung "wie die Sunday Times 1969 berichtet" nahezulegen scheint, sondern ausschließlich die der Scientology Church. In der Gegendarstellung der Scientology Church finden sich die folgenden, für meine Betrachtung relevanten Aussagen:

  • Zum Ort der Hubbardschen Ermittlungen: "Es handelte sich um ein großes Haus, in dem sich als zahlende Gäste amerikanische, in den Cal. Tech. Instituten tätige, Kernphysiker aufhielten. Bestimmte Behörden waren dagegen, daß die Kernphysiker unter demselben Dach untergebracht waren."
  • Zum Objekt der Hubbardschen Ermittlungen: "Crowley führte eine weltweit verbreitete Organisation, die sich Orden des orientalischen Tempels nannte und barbarische und bestialische Riten durchführte."
  • Zur Gefährlichkeit des Hubbardschen Einsatzes: "Crowley 'Das Biest 666' entdeckte erwiesenermaßen einen Feind und warnte Parsons. Das ist alles durch Korrespondenzen belegt [...]"
  • Zum Erfolg des Hubbardschen Einsatzes: "Das Haus wurde abgerissen. Hubbard rettete ein Mädchen, das von der Gruppe benutzt wurde. Die Black Magic-Gruppe wurde aufgelöst und zerstört und erholte sich nie wieder."

Dianetik Scientology Hubbard Jack Parsons Crowley Okkultismus - Mentopia.net In den erklärenden Anmerkungen der Scientology Kirche wird in den Anmerkungen der Scientology Kirche ausgeführt: "Weitere Beweismaterialien, die Herrn Hubbards Rolle in der Auflösung des O.T.O. belegen, sind Regierungsdokumente, die durch den 'Freedom of Information Act' [...] freigegeben wurden [...] Die FBI-Untersuchungen, die vor dem Kontakt von Herrn Hubbard mit dem O.T.O begonnen hatten, wurden im Anschluß an den Zusammenbruch der Organisation beendet."

Als Zeuge wird in den erklärenden Anmerkungen der Scientology Kirche der "Theologieprofessor" J. Gordon Melton, der in Wirklichkeit ein Religionswissenschaftler ist ("Melton pursued graduate studies at Northwestern University where he received his Ph.D. in the History and Literature of Religions in 1975." [1]), ohne Quellenangabe zitiert.

Herr Busch schreibt in seinen Antworten zu einem Interviewfragebogen: "Laut Prof. Melton war L. Ron Hubbard – der nach dem 2. Weltkrieg Reserveoffizier der US Marine war und bis zu seinem Austritt aus der Marine jederzeit dienstverpflichtet werden konnte - als Undercover Agent des Los Angeles Police Departments im staatlichen Auftrag tätig gewesen, um die Gruppe um den Physiker Jack Parsons zu untersuchen und die Gruppe zur Auflösung zu bringen." [2]

Weiterhin stellt Herr Busch dar: "Hintergrund war demnach offenbar das Sicherheitsbedürfnis der US-Regierung hinsichtlich bestimmter Physiker, die an damaligen Atomforschungsprojekten der USA beteiligt waren. Parsons war einer dieser Physiker und wurde von der Regierung aufgrund seiner Kontakte zu Crowley offenbar als Sicherheitsrisiko eingestuft. [...] Ersichtlich ging es also um ein rein staatliches Anliegen und das Sicherheitsbedürfnis der US-Regierung im Zusammenhang mit dem damaligen Atomforschungsprojekt."

Als ich die oben zitierte Dokumentation gelesen hatte, stellte sich mir sofort eine Frage, die ich gleich an Frau Weber mit der Bitte um Antwort sandte, ich zitiere Frage und Antwort nachfolgend mit den relevanten Aussagen.

Kupfer: Wenn ich annehme, die Darstellung der Scientology Kirche entspricht in der Tat den damaligen Absichten Hubbards bei der Kontaktaufnahme zu Parsons und Hubbards nachfolgendem Tun, dann stellt sich mir sofort die Frage, wie das mit Regel 18 der im Leitfaden "The Way to Happiness" beschriebenen Regeln zu einem besseren Leben auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes zu vereinbaren ist, die da lautet: "Respektieren Sie die religiösen Überzeugungen anderer." Dabei sollte der Umstand berücksichtigt werden, daß weder das FBI noch das LAPD irgendwelche ungesetzlichen Handlungen Parsons feststellen konnte, [...]

Weber: Wie aus dem Zeitungsausschnitt hervorgeht, schien es durchaus strafrechtlich relevante Handlungen zu geben und nur die dürfen gemaßregelt werden. Was unter – wie die Sunday Times 1969 berichtet – unter "barbarischen und bestialischen Riten" genau zu verstehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Bis zu welchem Zeitpunkt die Teilnahme an solchen Riten freiwillig war oder ist, kann ich im Jahre 2008 natürlich nur schwer beurteilen. Der Respekt vor den religiösen Überzeugungen anderer muss den öffentlichen Zuspruch nicht mit einschließen. Halten sich die Beteiligten an Recht und Gesetz verbietet sich aber ein Angriff auf die Gemeinschaft. Natürlich darf auch ein Scientologe eine Meinung zu bestimmten Glaubensüberzeugungen haben und diese äußern. Aber generell wird er darum bemüht sein, den Glauben des anderen zu respektieren und etwaige Diskussionen – insbesondere öffentliche – zu vermeiden. [...]

Als ein Resultat meiner Recherche muß ich zuerst mich selbst, nämlich die Aussage in meiner Frage "[...] daß weder das FBI noch das LAPD irgendwelche ungesetzlichen Handlungen Parsons feststellen konnte, [...]" korrigieren. Diese Feststellung trifft nur auf das LAPD zu, das FBI ermittelte Handlungen und Absichten Parsons, die sehr wohl einen Rechtsbruch darstellten und somit als ungesetzlich einzustufen sind, die für Parsons aber keine strafrechtlichen Folgen hatten. Das war – ausweislich der FBI-Akten zu Parsons - allerdings im September 1950 und damit mehr als vier Jahre nach Hubbards Kontakt zu Parsons und die Vorfälle standen in keiner Verbindung zu Parsons okkulten Ambitionen. Sie zeigen darüberhinaus sehr deutlich auf, daß die Behauptung der Scientology Kirche in ihrer Dokumentation in Sachen Hubbard – Parsons: "Die FBI-Untersuchungen, die vor dem Kontakt von Herrn Hubbard mit dem O.T.O begonnen hatten, wurden im Anschluß an den Zusammenbruch der Organisation beendet." frei erfunden ist. Doch dazu unten mehr.

Das also ist der Sachstand hinsichtlich der mir zur Verfügung stehenden Dokumentation, mithin der Beweislage seitens der Scientology Kirche. Ich komme nun zur Erörterung der mir solcherart seitens der Scientology Kirche zur Verfügung stehenden Quellen.

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Wann soll Hubbard in Sachen Parsons und O.T.O. ermittelt haben?

Schon auf der ersten Seite der Dokumentation der Scientology Kirche fällt die Jahreszahl 1948 auf der Rückseite dessen auf, was uns da als Ausweis eines Special Officer Hubbard präsentiert wird. Mag ja sein, daß Hubbard eine solche Legitimation für dieses Jahr besaß, auch wenn wegen der Qualität der Abbildung unter Berücksichtigung der Reproduktionsqualität heutiger Scanner die Echtheit des Dokuments doch ein klein wenig zweifelhaft erscheint.

Aber wir reden hier von März 1945 bis Ende Februar 1946 und so gesehen ist es völlig irrelevant, ob das Dokument echt ist oder nicht – es paßt eh nicht in die Ereignisse, von denen wir hier reden.

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Parsons lernte Hubbard im Frühjahr 1945 kennen: "A science fiction illustrator named Lou Goldstone introduces Hubbard to Parsons. Goldstone often visits at Parsons place, and one day he brings Hubbard with him. According to a letter Parsons wrote Crowley in July 1945, he had met Hubbard about three months previously." [3] John Symonds beschreibt die Vorgänge so: "In the spring of 1945, Parsons met a new aspirant to the Great Work, a young man called Ron Hubbard. Hubbard's magical potential was very great and he made a considerable impression upon the members of Agape Lodge, especially on Betty, the mistress of Dr Parsons; [...]". [4]

Die uns als Beweis präsentierte Ablichtung einer Art Ausweis ist also für eine Betrachtung und Erörterung dessen, was sich da in diesem Jahre von Frühjahr 1945 bis Frühjahr 1946 abspielte, vollkommen bedeutungslos.

Zum Anfang

Was soll Hubbard ermittelt haben - der O.T.O.

Der Unfug fängt mit der vollkommen unsinnigen Behauptung "Crowley führte eine weltweit verbreitete Organisation..." an - die Fakten jedoch sahen seinerzeit so aus...

"In 1925, during the tumultuous Conference of Grand Masters, Crowley was officially elected as OHO by the remaining administrative heads (X°) of O.T.O. During WWII, the European branches of O.T.O. were either destroyed or driven underground. By the end of the war, the only surviving O.T.O. body was Agapé Lodge in California, although there were various initiates in different countries. Very few initiations were being performed. At this time, Karl Germer, who had been Crowley’s representative in Germany, came over to America after being released from Nazi confinement. In 1942, Crowley appointed him as his successor as OHO, the office he filled after the death of Crowley in 1947. Under Germer, O.T.O. activity dropped to near extinction. He died in 1962 without naming a successor. It was not until 1969 that anyone stepped into the void when Grady McMurtry invoked his emergency authorization from Crowley and assumed the title of Caliph (X°)." [5]

Oder anders formuliert - das war in Pasadena ein kleines Grüppchen mehr oder weniger origineller Spinner, was Crowley ihnen auch ziemlich deutlich bestätigte. Ich meine, Parsons glaubte, mit dem "Book of Babalon" das vierte Kapitel des Liber L. vel Legis geschrieben zu haben - das ist vergleichsweise so, als behauptete Herr Gandow, er habe dem Neuen Testament ein paar unerläßliche Kapitel hinzugefügt (...obwohl ... zuzutrauen ... nee, das ist jetzt doch zu spekulativ) oder als käme ein Scientologe mit der Behauptung daher, die Dianetik mal eben ein bißchen weitergeschrieben zu haben. Mithin ist die Grundannahme, es sei um die Aufdeckung und Eliminierung einer gefährlichen, schwarzmagisch-okkulten Verschwörung als nationale Gefahr gegangen - ungeachtet Hubbards persönlichen Eindrucks - schon damals, besonders aber aus heutiger Sicht kompletter Unfug. Etwas salopper formuliert wird die Sachlage hier beschreiben:

"In March of 1941, Wilfred T. Smith, the expatriate Englishman authorized by Crowley to lead the Agape Lodge in Los Angeles, reported to the Great Beast concerning a new O.T.O. initiate. Of the 26-year old, Smith wrote: "I think I have at long last a really excellent man, John Parsons. And starting next Tuesday he begins a course of talks with a view to enlarging our scope. He has an excellent mind and much better intellect than myself...John Parsons is going to be valuable." This was welcome news to Crowley, long dissatisfied with the work of his Californian disciples, who he dismissed as mere "fans." Only six years before his death, and in poor health, the Beast was anxious that a new generation of Thelemite leadership arise to carry on his mission. [...] Another member of the Agape Lodge, the silent film actress Jane Wolfe, who had studied with the Beast in Cefalu, was equally impressed by the newcomer, writing of Parsons in her magical diary that 'I see him as the real successor of Therion'." [6]

Und als wäre es der Heiterkeit ob des ausgelassenen Treibens in Pasadena – Ron Hubbard in diesem einen Jahr immer mittenmang - noch nicht genug, hat John Symonds uns diese Beschreibung hinterlassen:

"Die Hingabe der Thelemiten von Pasadena an den magischen Glauben war grenzenlos. Tag für Tag zelebrierten sie in ihrem Tempel Crowleys Gnostische Messe (Ecclesiae Gnosticae Catholicae Canon Missae), die mindestens vierzig Minuten dauert und die zu ihrer ordnungsgemäßen Durchführung eines Priesters, einer Priesterin, eines Diakons, einer Jungfrau, zweier Kinder sowie eines Chors (‚das Volk’) bedarf." [7]

In der Gegendarstellung der Scientology Church in der Sunday Times wird behauptet: "Die Black Magic-Gruppe wurde aufgelöst und zerstört und erholte sich nie wieder."

Tatsache ist, daß Parsons 1946 seine Ämter in der Agape Lodge aufgab und sich aus dem O.T.O. zurückzog. Dazu mag ihn die Enttäuschung über Crowleys harsche Kritik an seinen magischen Übungen und seinem Lebenswandel bewegt haben. Colin Bennett schreibt dazu:

"Like many enthusiasts before him, Parsons failed to distinguish between Paganism and Satanism, and the many tricks that sprite called the Unconscious plays with that pair of duplicitous sirens. It was probably for such confusions that the far more sophisticated and mature Crowley criticised Parsons, probably causing Parsons resignation from the OTO in 1946." [8]

John Symonds merkt an: "Parsons resigned his position in the OTO by letter to Crowley dated August 20, 1946. Crowley's diary entry of 1 October states: 'Letter of resignation from puppy Jack: his snout glued to the rump of an alley-cat.'" [9]

Die Agape Lodge selbst wurde nach Parsons Tod am 07.09.1953 von Karl Germer, Crowleys Repräsentant in den USA, aufgelöst. In der Zeit zwischen Parsons Austritt und der Auflösung durch Germer hat der – freilich immer kleiner werdende – Rest fröhlich weitergemacht, und zwar völlig unbeeindruckt von Hubbards "Erfolg" bei der Auflösung und der Zerstörung der Black Magic-Gruppe.

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Professor J. Gordon Melton

Herr Busch schreibt: "Laut Prof. Melton war L. Ron Hubbard [...] als Undercover Agent des Los Angeles Police Departments im staatlichen Auftrag tätig gewesen, um die Gruppe um den Physiker Jack Parsons zu untersuchen und die Gruppe zur Auflösung zu bringen." Herr Busch stellte eine Kopie des Textes zur Verfügung, aus dem die zitierte Passage in der Dokumentation stammt.

Auffällig ist, daß Melton die Diskrepanz zwischen der Datierung der ID-Card und den Ereignissen entgangen ist und daß er die Behauptung bzgl. anderer Wissenschaftler nicht belegen kann. In Zuge meiner Recherche fand ich in einer Leseprobe aus einem Buch des Professor Melton aus dem Jahr 2000 [10] eine Darstellung, die sich doch ein wenig anders liest:

Dianetik Scientology Hubbard Crowley Magick Thelema

"Hubbard's account (and that of the present-day Church of Scientology) denies any attachment to the OTO. Rather, Hubbard claimed that in his capacity as a U. S. intelligence officer, he was sent to scrutinize Parsons and the lodge. [...] Both stories stand and, in fact, may be genuine perceptions of the events since Hubbard obviously would not make any undercover 'investigative' operation known to Parsons." [11]

Hubbard claimed – "Hubbard behauptet, nimmt für sich in Anspruch" – nicht "Hubbard hat". Es ist die Wiedergabe einer Behauptung, mehr nicht, nicht weniger. In einer Fußnote zum selben Text, unter derselben Quellenangabe zu finden, teilt er allerdings Begebenheiten mit, die von der Scientology Kirche stets als unwahr bezeichnet werden:

"In an off-the-cuff remark during the Philadelphia Lectures in 1952 (PDC Lecture 18), Hubbard referred to 'my friend Aleister Crowley.' This reference would have to be one of literary allusion, as Crowley and Hubbard never met. He obviously had read some of Crowley's writings and makes reference to one of the more famous passages in Crowley's vast writings and his idea that the essence of the magical act was the intention with which it was accomplished."

Fazit: Die Berufung auf Professor Melton per Zitation ist hier und im ganz konkreten Fall widersprüchlich und inkonsistent, weil Melton heute eine etwas differenzierte Sichtweise auf die seinerzeitigen Ereignisse zu vertreten scheint, und zwar gerade an den Punkten, die hier von Interesse sind. Die ID-Card wird nicht mehr erwähnt, er betont ausdrücklich, daß Hubbard claimed und verweist auf okkult-intendierte Äußerungen Hubbards. Für den Moment ist die Sachlage in diesem Kontext klar, ich bleibe aber an diesem Punkt zwecks weitergehender Klärung dran.

Dianetik Scientology Hubbard Crowley Magick Thelema

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It is BABALON. TIME IS. Ye fools - "Barbarische und bestialische Riten"

Ich erwähnte eingangs die verblüffende Unkenntnis in Sachen Okkultismus seitens der Scientologen, die sie allerdings nicht im mindesten an der Urteilsfindung hindert. Frau Weber hat das explizit so formuliert: "Was unter [...] unter 'barbarischen und bestialischen Riten' genau zu verstehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis."

Nun ja, was unter "barbarischen und bestialischen Riten" genau zu verstehen ist, läßt sich leicht und in kurzer Zeit eruieren. Erstens hat Parsons die konkret Anfang 1946 vollzogenen Riten selbst ausführlich beschrieben im schon erwähnten "Book of Babalon" [12], andererseits hat Crowley selbst alles veröffentlicht, weswegen er ja aus dem O.T.O. flog, weil er der Ansicht war, daß der spirituelle Weg für alle Menschen offen sein sollte. [13]

Dianetik Scientology Hubbard Jack Parsons Crowley Okkultismus - Mentopia.net

Marjorie Cameron
The Scarlet Woman
Dianetik Scientology Hubbard Jack Parsons Crowley Okkultismus - Mentopia.net

Cameron und Parsons

Schon in der Zeit vor dem Internet waren beispielsweise im deutschen Sprachraum alle "barbarischen und bestialischen Riten" in einem Buch nachlesbar, in dem Eugen Grosche, der als Gregor A. Gregorius als erster Großmeister der Fraternitas Saturni bekannt ist, alle Rituale nach Aleister Crowley veröffentlichte [14]. Das von John Symonds oben angeführte Ritual, das in der Agape Lodge offensichtlich tagtäglich mit großer Hingabe gefeiert wurde, obwohl es eigentlich für besondere Anläße gedacht war, findet man in einer halben Minute in mehreren Sprachen im Internet. [15]

Es bedarf also nur etwas Zeit und Muße - und einer gewissen Unvoreingenommenheit -, um zu wissen, was unter "barbarischen und bestialischen Riten" genau zu verstehen ist. Zur Beurteilung der Tatsachen in bezug auf die angeblich "barbarischen und bestialischen Riten" empfehle ich die Lektüre des Lanning-Reports [16].

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In welchem Umfeld soll Hubbard ermittelt haben?

Wir erinnern uns: "Es handelte sich um ein großes Haus, in dem sich als zahlende Gäste amerikanische, in den Cal. Tech. Instituten tätige, Kernphysiker aufhielten." So ist es in der Gegendarstellung der Scientology Church in der Sunday Times) zu lesen.

Die Behauptung, es galt Kernphysiker aus den Klauen der Schwarzmagier zu retten, erweist sich schon nach kurzer Recherche als vollkommener Unfug. Die Zustände und die Menschen in Parsons Umfeld und dem der Agape Lodge, was in der Zeit von Hubbards Aufenthalt dort identisch war, sind von profunden Kennern amüsiert und amüsant beschreiben worden, zum Beispiel von Colin Bennett:

"Parsons' home, 1003 South Orange Grove Avenue in Pasadena, was a vast old pre-war mansion populated by his own Adams Family selection of the free and the inspired, the mad and the lost. Local adverts for rooms specified that only bohemians, musicians, artists, atheists and anarchists need apply. Rumours of black magic, orgies and other strange goings-on abounded." [17]

Noch amüsanter schildert John Carter in seinem sehr gut recherchierten Buch "Sex and Rockets: The Occult World of Jack Parsons" die Zustände in der Nummer 1003 der South Orange Grove Avenue:

"Der Schriftstellerin Iris Chang zufolge hatte Parsons eine Schaufensterpuppe in einem Smoking auf seiner vorderen Veranda, an der ein Schild hing, worauf 'The Resident' (Der Bewohner) stand. Neben der Puppe stand ein Eimer für den Postboten, damit er die Post hineinwerfen konnte, die in dieser Weise adressiert war. [...] Parsons schockierte seine konservativen Nachbarn, als er anfing, Zimmer an weniger wünschenswerte Mieter zu vergeben. [...] Einer der Langzeit-Bewohner der Parsonage war Alva Rogers, der mit dem Haus in Verbindung kam, nachdem er dort etlichen Science-Fiction-Treffen beigewohnt hatte. Während dieser Treffen verliebte sich Rogers in eine junge Künstlerin, die dort wohnte und kam zu Besuch, wann immer er konnte, bevor er selbst einzog. In einem Fanzine-Artikel von 1962 schrieb er: 'In den Inseraten, die in örtlichen Blättern aufgegeben wurden, legte Jack fest, daß sich nur Bohemiens, Künstler, Musiker, Atheisten, Anarchisten oder andere exotische Typen um Räume zu bewerben bräuchten - jede profane Seele werde sang- und klanglos zurückgewiesen. Diese Anzeige verursachte, man braucht es nicht zu erwähnen, einigen Wind in Pasadena, als sie erschien. [...] Es gab eine feine Auswahl handverlesener Bewohner, alles echte Charaktere. Ein paar Beispiele: die professionelle Wahrsagerin und Seherin, die immer angemessene Kleider trug und ihre Wohnräume mit Symbolen und Artefakten arkaner Überlieferung dekorierte; dann eine Dame, gut über die mittleren Jahre hinaus, aber verblüffend schön, die behauptete, zu verschiedenen Zeiten die Geliebte der Hälfte aller berühmten Männer in Frankreich gewesen zu sein; ein Mann, der ein berühmter Organist der meisten großen Kinopaläste der Stummfilmära gewesen war." [18]

Natürlich – ein Eimer für die Post und immer eine professionelle Wahrsagerin im Zimmer quer über den Flur zur Hand – so liebt es der Kernphysiker an und für sich. In Parsons privaten und okkultem Umfeld fanden sich wirklich jede Verschrobenheit und jede mehr oder weniger liebenswerte Spinnerei – nur Kernphysiker waren da nicht vertreten.

Bildquellen

  • JPL Archives: One of the first rocket motor tests in the Arroyo Seco near JPL (Jack Parsons, Frank Malina, Rudolph Schott), 1936
    15.11.1936 [https://pub-lib.jpl.nasa.gov/docushare/dsweb/Services/Document-827] Stand 25.01.2013
    This file is in the public domain because it was solely created by NASA. NASA copyright policy states that "NASA material is not protected by copyright unless noted". (See NASA copyright policy page http://www.jsc.nasa.gov/policies.html#Guidelines or JPL Image Use Policy http://www.jpl.nasa.gov/imagepolicy/.)

  • JPL Archives: Static motor tests in the arroyo near the present site of JPL (Rudolph Schott, Apollo M.O. Smith, Frank Malina, Ed Forman and Jack Parsons), 1936
    15.11.1936 [https://pub-lib.jpl.nasa.gov/docushare/dsweb/Services/Document-828] Stand 25.01.2013
    This file is in the public domain because it was solely created by NASA. NASA copyright policy states that "NASA material is not protected by copyright unless noted". (See NASA copyright policy page http://www.jsc.nasa.gov/policies.html#Guidelines or JPL Image Use Policy http://www.jpl.nasa.gov/imagepolicy/.)

  • NASA: An aerial view of the Jet Propulsion Laboratory (JPL), Pasadena, California and the upper Arroyo Seco, and surrounding San Gabriel Mountains.
    01.01.1961 [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aerial_View_of_JPL_-_GPN-2000-001980.jpg] Stand 25.01.2013
    This file is in the public domain because it was solely created by NASA. NASA copyright policy states that "NASA material is not protected by copyright unless noted". (See NASA copyright policy page http://www.jsc.nasa.gov/policies.html#Guidelines or JPL Image Use Policy http://www.jpl.nasa.gov/imagepolicy/.)

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John Marvel Whiteside "Jack" Parsons, das LAPD, das FBI und Special Officer Hubbard

Zunächst – um Herrn Busch zu korrigieren – Parsons war kein Atomphysiker, er war von 1936 bis 1944 einer der führenden Forscher am Jet Propulsion Laboratory, weswegen es in bezug auf Parsons und das Lab heißt: "... which has led some to affectionately refer to it as the Jack Parsons Lab" [19]

In den oben zitierten Darstellungen der Scientology Kirche wird die Tätigkeit zwei voneinander unabhängiger, administrativer Organe einfach vermischt, um Hubbards Tun irgendwie eine gewisse Bedeutungsmächtigkeit zuzuweisen – die des Los Angeles Police Department (LAPD), für das Hubbard als Special Officer im Einsatz gewesen sein soll, und die des Federal Bureau of Investigation (FBI).

Frau Webers Ausführung "Wie aus dem Zeitungsausschnitt hervorgeht, schien es durchaus strafrechtlich relevante Handlungen zu geben..." ist dahingehend inakzeptabel, weil wir im konkreten Fall und in Hinsicht auf etwaige rechtliche Verfehlungen Parsons nicht von "scheinen" zu reden brauchen. Entweder es wurden strafrechtlich relevante Handlungen seitens der dazu bestimmten Organe, also der Justiz, geahndet oder eben nicht, alles andere ist rein spekulativ oder eben schlichte Unterstellung. In Parsons Fall wurde nichts geahndet, er wurde nie wegen irgend etwas angeklagt, geschweige denn verurteilt. Im Übrigen kann ich in dem Zeitungsausschnitt nichts dergleichen finden, da ist in der hinlänglich bekannten, verschwiemelt-aversiven Weise nur von "schwarz-magischen" und "barbarischen und bestialischen Riten" zu lesen. Trotzdem "strafrechtlich relevante Handlungen" seitens Parsons zu behaupten heißt, sich derselben Methodik zu bedienen, mit der die sogenannten Kritiker im Fall der Lisa McPherson auf Mord, mindestens aber Totschlag bestehen - nur mit dem Unterschied, daß es in diesem Fall tatsächlich eine Tote gab.

7a. Los Angeles Police Department

Also trennen wir wieder, was nicht zusammengehört, und sehen uns zuerst an, was uns seitens des LAPD an Parsons Auffälligkeiten bekannt ist. Die unter Punkt 5 – Umfeld – beschriebenen Zustände in Parsons privater Umgebung legen nahe, daß es den einen oder anderen, eher unfreiwilligen Kontakt Parsons zum LAPD gab – und damit ist nicht Hubbard gemeint. Aber auch ohne Käpt'n Ron wird das lustig, den Reigen der putzigen Schnurren eröffnet Colin Bennett:

"One evening in 1942, several police appeared to investigate reports of a pregnant woman jumping naked through a fire in the back yard. Ever the gentleman, Parsons convinced the officers of his status as a respectable scientist and the affair was laughed off." [20]

Eine andere Quelle weiß folgendes zu berichten: "Soon after the party, the Pasadena police received a letter from San Antonio, Texas. Signed "A Real Soldier", it stated that a 'black magic' cult flourished at 1003 Orange Grove Avenue, practicing 'Crowleyism' and 'Sex Perversion'. The letter also named one of the house's inhabitants, Frederick Mellinger, as an 'enemy alien'. When FBI officers came to investigate, Parsons gave them a tour and smoothly explained that 1003 housed a fraternal study group who discussed 'philosophy, religion, personal freedom and the mysteries of life and eternity'. In the ensuing years the police and the FBI would investigate 1003 time and again, but they would never find anything incriminating." [21]

Schließlich sei noch The Magician mit einer, in unserem Kontext bemerkenswerten Schlußfolgerung zitiert:

"After police received the anonymous letter, Parsons was interviewed by Det.-Lt. Cecil H. Burlingame. Parsons said he and others had formed a fraternity which would discuss philosophy, religion, personal freedom, and fortune telling. Two years later police investigated a minor fire at the house and found books and pamphlets about a'mysterious Church of Thelema'. 'Police made no further attempt to probe Parsons' bizarre personal life.' That was reassuring. At least the Pasadena police had the good sense to mind their own business." [22]

Das sind die Erkenntnisse, zu denen Hubbards vorgesetzte Dienststelle kam. Es ist nichts an darüberhinaus gehenden Erkenntnissen zu finden, mit denen Hubbard seinen Dienstherrn beglückt hätte. Tatsache bleibt, daß es seitens des LAPD – sei es mit, sei es ohne Hubbards, nun ja, Mitarbeit – keinerlei Erkenntnisse zu "strafrechtlich relevanten Handlungen" Parsons gegeben hat, stattdessen gab es für die Officer des LAPD - die echten Officer - unterhaltsame Führungen durch das Haus unter Leitung des Hausherrn.

7b. Federal Bureau of Investigation

Nun zum FBI – da ist die Sachlage natürgemäß komplizierter. Parsons wurde seit 1942 oder 1943, das läßt sich in den freigegebenen Akten nicht exakt ausmachen, vom FBI oberserviert. Colin Bennett schreibt:

"A character like Parsons could hardly avoid the FBI. From the early 1940s he was watched because of suspected communist affiliations, though we are left to speculate on what a communist occultist would sound like." [23]

Das näher zu ergründen schien zunächst nicht möglich zu sein. Die Dokumentation der Scientology Kirche verweist auf die "Regierungsdokumente, die durch den 'Freedom of Information Act' [...] freigegeben wurden". Allerdings stellte ich fest, daß die im virtuellen Leseraum des FBI [24] plötzlich nicht mehr abrufbar sind, wußte aber, daß das früher möglich war. Das bestätigte dann auch Nick Redfern in seinem Blog "The Strangest Secrets: The Mystery of the Missing Files":

"The 179-page FBI file on maverick scientist and Aleister Crowley disciple Jack Parsons is no longer available; the 287-page file on scientific genius Nikola Tesla is completely gone; as has the 789-page collection on Wilhelm 'cloud-buster' Reich." [25]

Aber – es gibt ja das Internet Archive und seine Wayback Machine [26] und mit ein bißchen Geduld findet man die Seiten wieder. Ein Leser in Redferns Blog hat das getan, so daß die FBI-Akten über Parsons doch noch heruntergeladen werden können - ich würde das auch dringend den Verantwortlichen der Scientology Kirche für solche Dokumentationen empfehlen, zumal sie sich explizit darauf berufen. [27] (Weil die Akten von Tesla und Reich mich interessieren, habe ich nach gleichem Muster die URLs für diese FBI-Akten gebastelt. [28]

Wenn man sich durch die beiden PDF-Dateien gräbt, stößt man gleich am Anfang, auf Seite 10 der ersten Datei, auf eine interessante Entdeckung – Parsons war nur von 1936 bis 1944 am Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology (Caltech) tätig. Cecilia Rasmussen schreibt dazu:

"In 1944, Parsons resigned from JPL in favor of whizzing through time and space via peyote, mescaline, marijuana, opiates and hallucinogens. [...] The FBI was investigating him on suspicion of espionage, consorting with communists, including some allegedly at Caltech, and cult activities; the scrutiny cost Parsons his government security clearance." [29]

Das FBI ermittelte also und Parsons war klar, daß er erstens keine Lust mehr auf Institutsarbeit hatte – da war, im Gegensatz zur geradezu euphorischen Forschungsarbeit der Vorkriegszeit, mit dem Kriegsbeginn logischerweise militärische Ordnung eingezogen, und offensichtlich ahnte er, daß das eh nicht gut ausgeht, was sich später auch bewahrheitete. Brian Doherty schreibt dazu:

"The military wasn't designed for Parsons' unconventional life- and workstyles. Neither was Aerojet Engineering, the company he founded with his Suicide Squad pals to make and sell rockets. It took staid money boys and military discipline to turn his ideas into an industrial machine. Parsons was bought out of Aerojet in 1944 for $11,000." [30]

Halten wir an dieser Stelle als Fazit fest:

Als Hubbard im Frühjahr 1945 auf Parsons traf, arbeitete der schon einige Monate nicht mehr für die Regierung, sondern in der eigenen, mit Freunden gegründeten Firma Aerojet Engineering Corporation und ab 1946 bei der Vulcan Powder Company.

In Parsons privatem und okkultem Umfeld, was in der Zeit von Hubbards Anwesenheit identisch war, gab es keinen einzigen Forscher, der für die Regierung arbeitete - geschweige denn Kernforscher, die "unter demselben Dach untergebracht waren".

Im Grunde genommen und wenn man die oben zitiereten Behauptungen der Scientology Kirche als tatsächlich zutreffend annimmt, hätte sich Hubbard nach zwei Tagen wieder bei seiner vorgesetzten Dienststelle zurückmelden können.

Zum Anfang

Was lief da wirklich zwischen dem FBI und Parsons?

Parsons Persönlichkeit und die damit verbundenen Ansatzpunkte für Ermittlungen des FBI habe ich ausführlich dargestellt. Am 11.12.1941 hatte Deutschland den USA den Krieg erklärt und damit entstand für Parsons Forschungen am Jet Propulsion Laboratory aus der potentiellen eine tatsächliche strategische Bedeutung – woraus sich für die Adminstration die Notwendigkeit der Überwachung aller Forscher ergab, die an neuralgischen Punkten in strategisch bedeutsamen Projekten tätig waren.

Das Office of Strategic Services (OSS) und die militärischen Nachrichtendienste waren für Parsons als Zivilist nicht zuständig, die National Security Agency (NSA) gab es damals noch nicht, also fiel Parsons in die Kompetenz des FBI. Das betraf nicht nur Parsons, sondern sehr viele andere Menschen auch, zum Beispiel seinen Kollegen Frank Malina, für den das FBI – in Vergleich zu Parsons - die dreifache, übrigens nicht freigegebene Menge an Aktenmaterial zusammengetragen hat, und Parsons späteren Arbeitgeber Howard Hughes, der es auf 2.027 Seiten – ebenfalls nicht freigegebene – Seiten bringt.

Dianetik Scientology Hubbard Jack Parsons Crowley Okkultismus - Mentopia.net Ein anderer Aspekt ist, daß sich Parsons ausweislich der FBI-Akten positiv zu Kommunismus und Marxismus äußerte. Ich würde Parsons Haltung zum Marxismus eher als kokettieren bezeichnen, er hat sich vermutlich nie ernsthaft damit befaßt, geschweige denn Marx oder Lenin gelesen. Es war eine Zeiterscheinung, der man getrost modischen Charakter zusprechen kann, in den Kreisen der künstlerischen und technischen Intelligenz war eine gewisse Faszination für den Sowjetsozialismus durchaus en vogue, was in erster Linie mit den Erfolgen der Roten Armee gegen das nationalsozialistische Deutschland nach der Belagerung von Leningrad, heute Sankt Petersburg, durch die Wehrmacht und nach der vernichtenden Niederlage der Wehrmacht im Kessel von Stalingrad, heute Wolgograd, zu tun hat. Die Begeisterung ging soweit, daß sich zahlreiche Vertreter der westlichen Intelligenz als Agenten für den NKWD und den GUR, den sowjetrussischen Militärnachrichtendienst, anwerben ließen, die bekanntesten sind Kim Philby, Guy Burgess und Anthony Blunt. Parsons oben beschriebene Neigung, sich mit Menschen zu umgeben, die in den Augen der Admistration geradezu anarchistisch und subversiv wirken mußten, hat das FBI natürlich in der Notwendigkeit seiner Ermittlungsbemühungen bestätigt.

Wenn man sich durch die Akten liest, ist folgendes festzustellen: Die Aktenschreiber und -verwalter des FBI nahmen die Berichte ihrer Ermittler und Zuträger zu Parsons Lebenswandel und seinen sexuellen und okkulten Eskapaden und zu Parsons Verbindung zu Aleister Crowley mal indigniert, mal konsterniert, oft aber auch amüsiert zur Kenntnis – und hefteten sie ab. Ende der Ermittlung. Es wirkt sogar so, als hätte sich bei den Aktenverwaltern des FBI – ähnlich wie beim LAPD – mit der Zeit eine Art Überdruß am Zugang der ewiggleichen Schnurren mit wechselnder Besetzung vorzugsweise der weiblichen Hauptrollen eingestellt.

Weit weniger witzig fand das FBI dagegen Parsons idealisierende Romanze mit sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Ideen, gleichwohl war ihnen klar, daß es eben genau das war – eine ideelle Romanze, das waren schließlich Profis, die ihre Pappenheimer kannten und fürwahr genug zu tun hatten, um sich zu allem Überfluß auch noch aufgeblasene Agentenstories a la Hubbard zu halluzinieren. Also wurde das akribisch notiert und wegsortiert und Parsons selbst mit weiterer Beobachtung in diese Richtung bedacht.

In den Akten sind, das kann in der ersten Datei auf den Seiten 10 und 11 nachgelesen werden, Parsons verschiedene Jobs aufgelistet:

  • 1932 – 1934 bei der Hercules Powder Company
  • 1934 – 1936 bei der Halifax Explosives Company
  • 1936 – 1944 am Jet Propulsion Laboratory des Caltech
  • 1941 – 1946 in der Aerojet Engineering Corporation, das war die Firma, die er mit seinen Freunden vom JPL, der sogenannten Suicide Squad gegründet hatte
  • 1946 – 1947 bei der Vulcan Powder Company
  • 1946 – 1948 bei der North American Aviation Corp.
  • 1948 – 1950 bei der Huges Aircraft Company

Diese Auflistung ist für das Verständnis der Situation erforderlich, aus der heraus Parsons sich zu dem Schritt entschloß und den das FBI dann ganz und gar nicht lustig fand. Hubbard war da längst über alle Berge, Parsons war aus der Agape Lodge und dem O.T.O. ausgetreten und wohnte auch nicht mehr in dem Haus 1003 South Orange Grove Avenue, und schlug sich offensichtlich eher schlecht als recht mit irgendwelchen Jobs durch. Die Ereignisse hatten rein gar nichts mit Parsons Lebenswandel, seinen okkulten Ambitionen, irgendwelchen Ritualen oder auch Kernphysikern zu tun, die es in Parsons Umfeld nicht gab. Kurz – sie hatten schlicht nichts mit den vermeintlichen oder tatsächlichen Absichten Hubbards zu tun, die uns die Scientology Kirche in den oben zitierten Dokumenten darlegen möchte - sie tangierten vielmehr die Weltpolitik im Kontext des gerade begonnen Kalten Krieges.

In Parsons FBI-Akte finden wir schon auf der ersten Seite das eigentliche Ermittlungsziel des FBI – Parsons wurde vom Security Officer der Hughes Aircraft Company angezeigt, bei der Hughes Aircraft als geheim eingestufte Dokumente entwendet zu haben:

"Above documents procurred from [Name geschwärzt] on September 25, 1950 by security officer, Hughes Aircraft Company and writer, and placed in custody MAJOR [Name nicht geschwärzt], U.S. Air Force, Hughes Aircraft Company, pending determination security classification. Subject voluntarily came to the Los Angeles office September 27, 1950 and in signed statement admitted removing documents without authority stating he desired to extract certain information from them as aid in computing cost proposal on jet propulsion motors. He planned to submit this with employment application through American Technion Society for employment in the country of Israel. Subject on September 28, 1950 identified photographic copies ofe seventeen documents and same retained in this office as evidence." [31]

Am 26. September 1950 zeigte Parsons sich quasi selbst an, der Security Officer der Hughes Aircraft Company hatte ihn offensichtlich über die Anzeige beim FBI informiert. Am 27. September 1950 fand sich Parsons mit Lampe im Gesicht in den Räumen des FBI in Los Angeles wieder, was heißt, er wurde zum Verhör geladen, das in den Akten charmant als Interview deklariert ist.

"On September 27, 1950, PARSONS was interviewed at the Los Angeles office by SAs [Namen geschwärzt]." [32]

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Er plauderte – offensichtlich das Interview als enorme Belastung empfindend – fröhlich drauflos, er war in vollem Umfang geständig und entschuldigte sich anschließend beim FBI und der Nation.

"I knew that the above mentioned material was of a classified nature but it was my intention to select only the cost of equipment and process from at the Hughes Aircraft material to include in my proposal to be submitted to [Name geschwärzt]."

"I now realize that I was wrong in taking this material from the Hughes Aircraft Plant and presenting it to to [Name geschwärzt]. It was not my intent to harm the United States or to allow this material to fall into the hands of an unauthorized person. I know that [Name geschwärzt] was loyal and had been cleared after a security investigation. [Name geschwärzt] was not aware that the material was classified." [33]

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In den Akten kann man das ganze Verhör im Wortlaut nachlesen, ich gebe hier die Zusammenfassung der FBI-Agenten wieder und die liest sich folgendermaßen:

"He stated that during approximataly 1948, while employed at the Hughes Aircraft Company, he read certain articles in some technical magazines [...] which pertained to technical development and scientific research in the country of Israel. He stated he became interested in this work which was going on in Israel and that after making a number of inquiries, once [Name geschwärzt] North Hollywood, California, was recommended to him as being able to furnish information regarding the obtaining of employment of this nature in Israel. He stated that in September or October 1949 he contacted [Name geschwärzt] who requested him to prepare a proposal regarding the building of an exploves plant in Israel and conduct research work on in Israel. PARSONS stated he submitted such a proposal to [Name geschwärzt] but heard nothing from him until in August 1950, at which time he again recontacted [Name geschwärzt] and [Name geschwärzt] requested him to submit a new proposal pertaining to the cost of a jet propulsion development program on which PARSONS could do research work in Israel." [34]

Parsons hatte also erwogen, seine unterbrochene Karriere als Forscher für Flugzeug- und Raketenantriebsstoffe in Israel fortzusetzen und als Referenz eine Kostenanalyse für ein entsprechendes Entwicklungsprogramm zu erstellen, wofür er als geheim eingestufte Dokumente bei seinem Arbeitgeber, der Hughes Aircraft Company, unberechtigterweise mitnahm. Eine strafrechtliche Relevanz konnte das FBI offensichtlich nicht erkennen und auf der Downloadseite für Parsons Akten wird der Vorfall entsprechend relativiert (Hervorhebung von mir):

"John Parsons, an employee of the Hughes Aircraft Company in Culver City, California, removed classified documents concerning jet propulsion motors and rocket propellants without authorization. The FBI conducted an espionage investigation which developed no indication that he was acting on behalf of another country." [35]

Die Antwort auf die Frage, wieso sich Parsons ausgerechnet für Israel entschied, liegt auf der Hand: Einerseits sympathisierte Parsons mit Versatzstücken der kommunistischen bzw. sozialistischen Ideologie und der Zionismus war stark von sozialistischen Ideen beeinflußt. Der Philosoph und Mitbegründer des deutschen Sozialismus Moses Hess war Wegbereiter des sozialistischen Zionismus, der Zionismus wurde zum Beispiel auch stark von der Poale Zion, der jüdischen Arbeiterpartei, deren Vordenker der Sozialist Ber Borochov war. [36] Andererseits ist Thelema und Magick nach Aleister Crowley nicht nur sehr stark von jüdischer Mystik, besonders von der Kabbala beeinflußt, sondern ohne diesen Einfluß im Grunde gar nicht denkbar. Deshalb ist für das Verständnis der Crowleyschen Magick eine Beschäftigung mit jüdischer Mystik und der Kabbala zwingend erforderlich. [37]

Das FBI und der Staatsanwalt sahen keine Veranlassung zu einer Strafverfolgung, die einzigen nachweislichen Konsequenzen für Parsons waren der Entzug aller Sicherheitseinstufungen und der Verlust des Jobs bei Hughes Aircraft. Er soll danach als Tankwart gearbeitet haben, das läßt sich aber nicht belegen. Auf mich wirken die Fakten in Parsons FBI-Akte so, als habe Parsons aus derselben Weltfremdheit und Naivität heraus gehandelt, mit der er Hubbard in sein Leben treten ließ und ihm sein Vertrauen schenkte.

Fazit: Die Behauptung der Scientology Kirche in ihren kommentierenden Anmerkungen: "Die FBI-Untersuchungen, die vor dem Kontakt von Herrn Hubbard mit dem O.T.O begonnen hatten, wurden im Anschluß an den Zusammenbruch der Organisation beendet." ist frei erfunden. Der letzte Akteneintrag, den ich in den Dateien fand, datiert auf den 07.02.1952, das heißt, die Ermittlungen wurden mit Parsons Tod abgeschlossen. In Hinsicht auf Frau Webers Feststellung zu "strafrechtlich relevanten Handlungen" - wenn das FBI keinen Anlaß sah, dem Vorfall strafrechtliche Relevanz zuzuweisen, sollte die Scientology Kirche das auch nicht tun, zumal denen diese Fakten vermutlich bis dato gar nicht bekannt waren, sonst hätten sie den Vorfall längst verbraten, um Parsons zu diskreditieren.

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Exkurs – Ein Versuch zu fragen, ohne mich zu Spekulationen hinreißen zu lassen

Man stelle sich vor, die Mitnahme der Dokumente wäre nicht entdeckt worden und Parsons Plan, nach Israel auszuwandern und dort Program zur Raketenentwicklung zu etablieren, wäre 1950 oder 1951 gelungen – ich denke, diejenigen unter den Lesern, die mit den historischen Gegebenheiten jener Zeit vertraut waren, können sich lebhaft die Reaktion der Sowjets auf eine Schlagzeile ausmalen, die da hätte lauten können: "US-Amerikanischer Dr. Seltsam leitet zionistisches Raketenprogramm!". Damals lebte Stalin noch und der war eher weniger für Kompromissebereitschaft und Langmut bekannt.

Am 17. Juni 1952 starb Parsons: "[...] an explosion ripped through the lower level of 1071 ½ S. Orange Grove Avenue. Parsons’ right arm was blown off so extensively that only tidbits of it were found. The detonation broke his other arm and both legs and left a 'gaping hole' in his jaw. He died 37 minutes after the blast." [38]

Wenige Stunden später, nachdem sie vom Tod ihres Sohnes erfuhr, tötete sich seine Mutter Ruth mit 45 Tabletten Nembutal (Wirkstoff: Pentobarbital) selbst. The Magician hat in Archiven recherchiert und fand dies (Hervorhebung von mir):

"The library had microfilms of two local newspapers published in June 1952: The Pasadena Independent and The Pasadena Star-News. I was trying to get a clearer picture of what happened the day Parsons died, looking for anything not reported in the clippings I had gotten from Homer Nilmot. The Independent for June 18, 1952, cost five cents. The front page headline read: BLAST KILLS CHEMIST - MOTHER ENDS HER LIFE - House Torn Apart by Explosion. There was a picture of City Patrolman L.D. Harnois inspecting the debris of the destroyed apartment at 1071 South Orange Grove. The story said Parsons had moved from that address on June 1, and he and his wife Marjorie were staying at 424 Arroyo Terrace - where his mother had a summer position as caretaker-- while preparing to leave for a trip to Mexico. Parsons had gone over to the South Orange Grove apartment to gather up some of his supplies." [39]

Der Tod wird als Unglücksfall deklariert, der ermittelnde Officer des LAPD war derselbe, dem Parsons die unfreiwillige Hausbesichtigung nebst einiger Reflektionen in Sachen Philosophie angedeihen ließ. Die Hervorhebung markiert die erste Unstimmigkeit. The Magician zitiert "The Pasadena Independent" vom 18.06.1952:

"There were a few details about Marjorie Cameron Parsons, Jack Parsons' Scarlet Woman and then his wife. She arrived at 424 Arroyo Terrace unaware that her mother-in-law had just died. 'Stoic in the face of her double loss, she told investigators she and her busband were to leave last night on a pleasure trip to Mexico. The hallway of the two-story Arroyo Terrace mansion was crowded with their packed baggage.'" [40]

Parsons und Marjorie wollte sich also noch in der Nacht auf den Weg nach Mexiko machen und Parsons ging zurück in das alte Apartment, um noch etwas zu holen. Die Veranda stand voller Reisegepäck – und da soll Parsons noch große Experimente inszeniert haben? Die Los Angeles Times vom 18.06.1952 berichtet "Several boxes of highly dangerous chemicals were found outside the building, apparently placed there by Parsons a few minutes before the blast." [41] Die Polizei fand große Mengen Nitropenta (PETN, Pentaerythrittetranitrat) und Trinitrobenzol (TNB, ähnliche Wirkung wie wie TNT), und zwar soviel, daß man sich entschloß, das Zeug nach Fort MacArthur zu verfrachten. Sie wollten das aus verständlichen Gründen wohl nicht in der Aservatenkammer des LAPD haben.

Selbst für einen Strange Angel (George Pendle) wie Parsons war es eher unwahrscheinlich, solche Menge dieser Sprengstoffe im Garten und seinem backyard lab zu finden. Parsons soll den Nachbarn mal erzählt haben, "he was making fulminate of mercury commercially", mal soll es ein "big fog" als Spezialeffekt für Hollywood gewesen sein. Ein Bekannter Parsons, George W. Santmyer, wird mit den Worten zitiert "someone else had strewn explosive materials around the apartment at 1071 S. Orange Grove". Doch "The Pasadena Independent" vom 19.06.1952 berichtet: "'The case is closed as far as we're concerned,' Det.-Lt. Cecil H. Burlingame declared. He said a statement by George W. Santmyer 'isn't sufficient to warrant us reopening the case.'" [42]

Für meinen Geschmack sind das zwei, drei Zufälle und Ungereimtheiten zuviel. Mehr läßt sich meinerseits nicht sagen, aber ich stimme The Magician zu, der schrieb: "Parsons' death had sparked a lot of unusual attention accompanied by curious denials. It had all the hallmarks of 'national security'. The real investigation would be conducted outside the media (and public) spotlight." [43]

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Feinde, Feinde, Feinde

Die Behauptung, Crowley habe "erwiesenermaßen einen Feind" in Hubbard entdeckt und Parsons gewarnt, ist von fast schon ergreifender Dämlichkeit. Erwiesenermaßen hat Aleister Crowley zuerst in beiden – Parsons und Hubbard – zwei veritable Idioten ausgemacht und und ebenso erwiesenermaßen hat er kurz darauf den Parsons als lächerlichen Narren und den Hubbard als Gauner bezeichnet.

Im Original liest sich das in Crowleys Briefen an Karl Germer so - am 19.04.1946 schrieb er: "Apparently Parsons or Hubbard or somebody is producing a Moonchild. I get fairly frantic when I contemplate the idiocy of these louts." [44]

Am 22.05.1946 ließ er Germer wissen: "Suspect Ron playing confidence trick. Jack evidently weak fool. Obvious victim prowling swindlers." [45]

Am 29.05.1946 klang Crowleys Einschätzung der Vorgänge in Pasadena so: "It seems to me on the information of our brethren in California that Parsons has got an illumination in which he has lost all his personal independence. From our brother's account he has given away both his girl and his money. Apparently it is the ordinary confidence trick." [46]

Warnungen vor Feinden klingen definitiv anders.

An der Stelle sei, weil es gerade so schön paßt, noch einmal auf das Datum der Vorgänge hingewiesen und die Differenz von zwei Jahren, die sich so zu Hubbards Ausweis als "Special Officer" ergibt, der uns – 1948 ausgestellt - von der Scientology Kirche als staatliche Oberservationslegitimation für die Zeit in Pasadena – also Frühjahr 1945 bis Frühjahr 1946 - präsentiert wird.

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Erfolg ist euer Beweis!

Die Gegendarstellung in der Sunday Times erweckt den Eindruck, Hubbards Aktivitäten hätten die Agape Lodge zerstört und zu deren Auflösung geführt und der O.T.O. habe sich von Hubbards Einsatz nie wieder erholt. Tatsache ist, daß Germer die Loge erst 1953 nach Parsons Tod auflöste - und Hubbard hat das "gerettete Mädchen" geheiratet, deren spätere Statements in bezug auf ihren "Retter" der Scientology Kirche seitens der sogenannten Kritiker heute noch mit Begeisterung nachgetragen werden.

Das "Mädchen", das Hubbard gerettet haben soll, war die damals doch schon 21-jährige Sara Elizabeth Northrup, genannt Betty - jene Sara Northrup, die Hubbard anläßlich ihrer Scheidung von ihm in den Scheidungspapieren als "hoffnungslos geisteskrank" bezeichnete und ihn bezichtigte, sie und ihre Tochter "systematic torture, beatings, strangulations and scientific torture experiments" ausgesetzt zu haben. Mir ist natürlich klar, daß solche Beschreibungen keine tatsächlichen Ereignisse wiedergeben, sondern assoziative Projektionen als Resultat extremer Frustration sind (was die Frage nach Hubbards Anteil an Verantwortung für die Generierung solcher Projektionen auswirft), aber vor diesem Hintergrund von Sara Northrup als dem "geretteten Mädchen" zu reden ist, gelinde gesagt, einfach nur peinlich.

Vermutlich war Parsons nach dem ersten Verlustschmerz froh, daß er Betty los war, denn erst Marjorie Cameron wurde seiner Vorstellung vom Scarlet Woman wirklich gerecht [47]. Zum Zeitpunkt der Gegendarstellung gab es in der Tat den O.T.O. nicht als Organisation, sondern allenfalls als spirituelle Idee. Doch schon wenig später etablierte er sich mit großen Erfolg erst in den USA, später in anderen Ländern [48], so daß der Orden heute die weltweit größte okkulte Organisation westlicher Tradion ist.

Von welchem Erfolg Hubbards in Sachen O.T.O. und Agape Lodge reden wir also eigentlich heute, im Jahr 2008?

Am tatsächlichen Erfolg gemessen würde ich - rein weltlich gesehen und die Intention Hubbards nach der Darstellung in dem Text aus der Sunday Times als gegeben vorausgesetzt - Hubbards Aktivitäten in Pasadena eher als Schuß ins Knie, ins eigene wohlgemerkt, betrachten. Unter dem Aspekt einer ethischen Bewertung und in Hinsicht auf den Moralkodex, den die Scientology Kirche selbst vertritt, halte ich die Tatsache, daß sich Hubbard - in wessen Auftrag und mit welcher Intention auch immer - unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zutritt zur Gruppe verschafft und Parsons Vertrauen und Zuneigung erschlichen hatte, für sehr fragwürdig. Das ist wenn überhaupt, dann allenfalls im Fall der Selbstverteidigung zur Abwendung einer Gefahr für die Gruppe und deren Mitglieder berechtigt, aber seinerzeit gab es keine Gruppe, für die Hubbard verantwortlich gewesen wäre. Es gab auch keine Gefahr für ihn als Person, alle Aktivitäten in bezug auf Parsons und die Agape Lodge gingen von Hubbard selbst aus und wir wissen ausweislich der oben zitierten FBI-Akten, daß von Parsons und der Agape Lodge nie etwas ausgingen, das die exekutiven und judikativen Instanzen in den USA als Gefahr für die Gesellschaft betrachteten.

Mag sein, daß Hubbard das 1946 anders sah und meinte, gegen Parsons zur Abwendung vermeintlichen Ungemachs eine veritable Schwatzmagie mit den von Aleister Crowley konstatierten Resultaten zur Anwendung bringen zu müssen. Es ist aber nicht im Ansatz nachvollziehbar, daß die Scientology Kirche heute exakt so argumentiert, als lebten wir vor ziemlich genau 62 Jahren, als Hubbard mit Parsons in Verbindung stand. Zumindest aus heutiger Perspektive sollte eine Neubewertung durchaus möglich sein.

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Nachsatz

Ich mochte Parsons nicht sonderlich und bis zu diesem Text hat mich sein Leben auch nicht besonders interessiert. Beides trifft nach meiner Recherche nicht mehr zu. Nach wie vor halte ich sein "Book of Babalon" für Mumpitz und seine aufgesetzte Antichrist-Nummer für bloße Attitüde.

Er war hinsichtlich seiner okkulten Ambitionen notorisch erfolglos, er hat das, was er für seinen Willen hielt, stets mit seinem Begehren und seinen Begierden verwechselt, wahlloses Kopulieren macht noch lange keinen Thelemiten aus. Ich stimme hinsichtlich der Bewertung seines Handelns völlig Crowley's oben zitierten Aussagen zu.

Doch es wäre nicht nur ungerecht, sondern auch unangemessen, eine Bewertung auf diese Kritik zu beschränken, denn in Parsons Leben – und Sterben – manifestiert sich vor unseren Augen in exemplarischer Weise eine ganze Epoche. Der Wissenschaftsautor George Pendle beschreibt das in seinem Text "Jack Parsons and The Curious Tale of Rocketry in the 1930s" folgendermaßen:

"The city of Los Angeles, where Parsons spent the early years of his life, was a metropolis perfectly in tune with this perplexing time. During Parsons' youth, evangelists like Aimee Semple McPherson might be heard performing exorcisms over the radio, broadcasting to hundreds of thousands of people, whilst Albert Einstein, harbinger of the scientific age, attended a séance hosted by a dubious Polish count. Igor Stravinsky, the most famed composer of his age, ended up in the city providing music for Walt Disney's Fantasia, whilst the prominent astronomer Edwin Hubble could be found dining with the mime Harpo Marx. The author William Faulkner was reduced to rewriting B-movie film scripts while the social campaigner and writer Upton Sinclair was arrested for reading the First Amendment of the United States Constitution (the right to freedom of expression) in public. All was topsy-turvy, nothing more so than the city of Los Angeles itself, an Ozymandian kingdom built on a desert that had been transformed by the wonders of engineering into fertile land. Jack Parsons' life exemplifies this place and age of flux and uncertainty." [49]

Brian Doherty würdigt Parsons Leben und Werk mit diesen Worten:

"A crater on the dark side of the Moon has been named after this man who believed he could summon spirits and who hoped to propel himself into space. Parsons may not have had the discipline to get there. But the men and systems who did could never have done so without his reckless imagination--his belief that even the risk of blowing himself to pieces was worth it to propel humanity to what he saw as the next stage of its physical and spiritual evolution." [50]

George Pendle gibt uns die schönste Beschreibung von Parsons wissenschaftlichen und okkulten Intentionen, die ich finden konnte:

"He treated magic and rocketry as different sides of the same coin - both had been disparaged, both derided as impossible, but because of this both presented themselves as challenges to be conquered. Rocketry postulated that we should no longer see ourselves as creatures chained to the earth, but as beings capable of exploring the universe. Similarly, magic suggested there were unseen metaphysical worlds that existed and could be explored with the right knowledge. Both were rebellions against the very limits of human existence; in striving for one he could not help but strive for the other." [51]

Als Fazit kann wohl festgehalten werden, daß die eingangs zitierte und nachfolgend erörterte Darstellung der Scientology Kirche nicht nur Andenken und Werk eines faszinierenden Menschen und auf komplexe Weise genialen Wissenschaftlers beleidigt, sondern eine nicht minder faszinierende Epoche in einem faszinierenden Land herabwürdigt – und das offenkundig aus banalen Opportunitätsgründen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf oder so ähnlich. Für eine ethische Bewertung der Rolle Hubbards in jenem Jahr zwischen Frühjahr 1945 und Frühjahr 1946 ist es im Grunde völlig unerheblich, ob seine Rolle als Special Agent erfunden ist oder ob er er tatsächlich einer war. Tatsache ist, daß er sich das Vertrauen derjenigen, die in als Freund in ihrer Mitte aufnahmen, erschlich und radikal mißbrauchte. Wenn er tatsächlich der Special Officer war, den die Scientology Kirche in den oben zitierte Aussagen beschreibt, und wenn er tatsächlich der aufrechte und ehrenhafte Mann war, als den die Scientology Kirche ihn darstellt, dann hätte er nach dem, was wir aus den Berichten von Zeitzeugen wissen, nach spätestens einer Woche seinem Dienstherrn mitteilen müssen, daß es aus dieser Runde seltsamer bis skurriler Menschen nichts Gefährliches oder irgendwen bzw. irgendetwas Gefährdendes zu berichten gibt, geschweige denn etwas, das einer Zerstörung bedurft hätte. Aber auch das ist aus heutiger Sicht auch eher nebensächlich. Ganz und gar nicht nebensächlich, sondern befremdlich bis abstoßend ist die Tatsache, daß sich die Scientology Kirche 62 Jahre nach den Ereignissen und 22 Jahre nach Hubbards Tod nicht zu schade ist, Parsons erneut zu mißbrauchen, um einen Abschnitt im Leben des Lafayette Ronald Hubbard zu camouflieren, der allerhand Fragen aufwirft, die ihrer Klientel unangenehm sein könnten.

Man muß weder genau wissen, wer Parsons war noch, was er tat, und man muß ihn auch nicht mögen, um sofort beim ersten Lesen über die Widersprüche und offenkundigen Sachfehler in der Dokumentation der Scientology Kirche zu stolpern. Das trifft genauso auf alle Aussagen der Scientology Kirche zu, die zu diesem Themenkomplex im Internet zu finden sind. Die reine Recherche der Fakten, das Finden der Texte einschließlich der FBI-Akten über Pasons nebst schneller Lektüre per Querlesen hat bummelig zwei Stunden gedauert, wobei ich zur Referenz auf mehrere Quellen redundant recherchiert habe, was für das Verständnis der Zusammenhänge eigentlich nicht erforderlich ist. Dabei bin ich komplett ohne die sogenannten Kritiker ausgekommen. Da stellen sich mir etliche neue Fragen, die an die Scientology Kirche und ihre Mitglieder zu richten wären, zum Beispiel diese:

Wieso schaffen die Scientologen, womit ich die Mitglieder meine, die solche Darsellungen der Kirche zu lesen bekommen, das - eine halbwegs qualifizierte Recherche – ganz offensichtlich nicht selbst? Sollte in Zeiten des Internet nicht auch ein Gründungsmythos wenigstens halbwegs plausibel sein? Wie tief muß in amtskirchlicher Indoktrination und Konditionierung stecken, um den Unsinn in Sachen Okkultismus unhinterfragt und offenkundig ohne jedes Interesse an eigenständiger Erkenntnisgewinnung zu glauben, den die Scientology Kirche in der oben zitierten und am Ende des Heftes vollständig wiedergegebenen Dokumentation unter die Leute bringt?

Fragen über Fragen – und keine Antworten, die diese Bezeichnung verdienen.

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Eine Anmerkung in eigener Sache: Die Texte zum Thema Scientology dienen ausdrücklich nicht dazu, Scientology und Dianetik zu rechtfertigen. Sie sollen vielmehr einen, im Diskurs sonst unüblichen, Blick hinter die Kulissen zu werfen und Aspekte der Historie von Scientology aufzuzeigen, die üblicherweise unbeachtet bleiben. Mir ist beispielsweise nicht bekannt, dass irgendeiner der beruflich oder in eigener Mission tätigen Kritiker von Scientology die FBI-Akten zu Rate gezogen hätte, um zu ergründen, was sich da jenseits der, von Scientology in die Welt gesetzten, Mythen und tatsächlich zwischen Jack Parsons und dem FBI abspielte. Ich habe es getan. Zweck der Übung ist also nicht, die Lehren der Dianetik und das Wirken von Scientology zu verteidigen. Allerdings halte ich es für durchaus erforderlich, die Glaubens- und Religionsfreiheit zu verteidigen und auch, wenn viele das zu glauben scheinen - es existiert keine Liste in Ergänzung zu Artikel 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, in welcher festgelegt ist, was geglaubt werden darf und was nicht. Der an dieser Stelle gerne zur Anwendung gebrachte Trick, diesem oder jenem Glaubenskonstrukt einfach die religiöse Qualität abzusprechen, ist in höchstem Maße unredlich und hat entgegen den Behauptungen derjenigen, die das tun, wenig bis nichts mit Wissenschaft zu tun.

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Fußnoten und Quellen

Klicken auf die Fussnote führt zurück zur entsprechenden Textstelle.

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/J._Gordon_Melton
[2] The Magickal Observer, März 2008, https://www.mentopia.net/public/2008_01_aha_2019.pdf
[3] The Magician, Jack Parsons & The Curious Origins of the American Space Program
http://web.archive.org/web/20080211015523/http://www.aci.net/kalliste/jack_parsons.htm
http://www.bibliotecapleyades.net/cienciareal/cienciareal22.htm
[4] John Symonds, The Great Beast: The Life and Magick of Aleister Crowley, Mayflower 1973, ISBN: 0583121950,
dt. Ausgabe Aleister Crowley, Das Tier 666, Heyne 1997, ISBN: 3453132815
[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Ordo_Templi_Orientis
[6] Nikolas Schreck, Zeena Schreck, Demons of the Flesh - The Complete Guide to Left Hand Sex Magic, Creation Books 2002, ISBN: 184068061X
[7] John Symonds, ebd.
[8] Colin Bennett, John Whiteside Parsons - King of the Rocket Men
https://web.archive.org/web/20101023033222/http://www.bob-wonderland.supanet.com/Jack.htm
https://web.archive.org/web/20080827042055/http://www.forteantimes.com/features/profiles/507/john_whiteside_parsons.html
[10] J. Gordon Melton, The Church of Scientology (Studies in Contemporary Religions, 1), Signature Books 2000, ISBN: 1-56085-139-2
[11] http://web.archive.org/web/20070210000348/http://www.signaturebooks.com/scientology.htm
[12] https://hermetic.com/wisdom/lib49
[13] https://hermetic.com/crowley/index
[14] https://www.amazon.de/Aleister-Crowleys-Magische-Rituale-Gregorius/dp/3877020542
[15] https://hermetic.com/crowley/libers/lib15
[16] http://www.religioustolerance.org/ra_rep03.htm
[17] Colin Bennett, ebd.
[18] John Carter, Robert Anton Wilson (Introduction), Sex and Rockets: The Occult World of Jack Parsons
dt. Ausgabe Raumfahrt, Sex und Rituale - Die okkulte Welt des Jack Parsons, Hadit 2003, ISBN: 3980856011,
[19] https://en.wikipedia.org/wiki/Jet_Propulsion_Laboratory
[20] Colin Bennett, ebd., Story told by L. Sprague DeCamp, most recently appearing in the June 24, 1990 Los Angeles Times
[21] http://web.archive.org/web/20080828214558/http://soc.world-journal.net/crowleyscientology.html
[22] The Magician, ebd.
[23] Colin Bennett, ebd.
[24] https://vault.fbi.gov/reading-room-index
[25] Nick Redfern The Strangest Secrets: The Mystery of the Missing Files
https://thestrangestsecrets.blogspot.com/2007/12/mystery-of-missing-files.html
[26] https://www.archive.org/web/web.php
[27] https://web.archive.org/web/20040618142522/http://foia.fbi.gov/jparsons.htm
[28] https://vault.fbi.gov/nikola-tesla
https://web.archive.org/web/20040630085114/http://foia.fbi.gov/reich.htm
[29] Cecilia Rasmussen, Life as Satanist Propelled Rocketeer, Los Angeles Times 19.03.2000
https://web.archive.org/web/20140831190346/http://holysmoke.org/cos/parsons.htm
[30] Brian Doherty, The Magical Father of American Rocketry
https://web.archive.org/web/20190109041557/http://reason.com/archives/2005/05/01/the-magical-father-of-american
[31] Federal Bureau of Investigation File No. 65-59589
https://web.archive.org/web/20040618142522/http://foia.fbi.gov/jparsons.htm
[32] Federal Bureau of Investigation, ebd.
[33] Federal Bureau of Investigation, ebd.
[34] Federal Bureau of Investigation, ebd.
[35] Federal Bureau of Investigation, ebd.
[36] https://de.wikipedia.org/wiki/Kabbala
[37] https://en.wikipedia.org/wiki/777_and_Other_Qabalistic_Writings_of_Aleister_Crowley
[38]Michael Collins, Evil Minds, Pasadena Weekly 03.01.2002,
https://web.archive.org/web/20080828204514/http://enviroreporter.com/evilminds.html
[39] The Magician, ebd.
[40] The Magician, ebd.
[41] The Magician, ebd.
[42] The Magician, ebd.
[43] The Magician, ebd.
[44] Frater Phaeton IXº Albion O.T.O, History of the O.T.O.
https://web.archive.org/web/20080207005919/http://albion.oto.org.uk/about_albion_oto/albion_oto_early_history.shtml
[45] Thelema Lodge Calendar for November 1993 e.v., http://www.billheidrick.com/tlc1993/tlc1193.htm
[46] Frater Phaeton IXº, ebd.,
Für die Crowley-Zitate siehe auch: Kenneth Grant, The Magickal Revival, Weiser 1973, ISBN: 087728217X
https://files.meetup.com/166624/magick_revival.pdf
[47] https://en.wikipedia.org/wiki/Marjorie_Cameron
[48] https://oto.org/
[49] George Pendle, Strange Angel: The Otherworldly Life of Rocket Scientist John Whiteside Parsons, Harvest Books 2006 (engl.),ISBN: 0156031795
https://www.thenakedscientists.com/HTML/articles/article/georgependlecolumn1.htm/
[50] Brian Doherty, ebd.
[51] George Pendle, ebd.

[geschrieben 03/2008, Links geprüft 16.06.2019]