Idiokratie in Aktion - eine Stellenausschreibung des "RefRates" der Humboldt-Universität zu Berlin

Jüngst versuchte eine Handvoll akademisierender Knalltüten des "ReferentInnenRates", kurz "RefRat" (beides Eigenschreibung), der Humboldt-Universität zu Berlin, eine Ausschreibung für eine Stelle als studentische Hilfskraft in der Antidiskriminierungsberatung zu formulieren. Weil man sich beim ersten Versuch im Datum vertat - es ist ja auch für angehende Akademiker wirklich nicht einfach, aus zwölf Monatsoptionen die passende zu finden -, wurde ein editierter Text auf der Netzseite des "RefRates" veröffentlicht - und der fand, nachdem er in den sogenannten sozialen Medien die Runde gemacht hatte, auch in den Leit- und Qualitätsmedien wie Spiegel, Welt, Zeit, Berliner Zeitung, Deutschlandfunk und anderen einen Widerhall, mit dem man im "RefRat" offensichtlich nicht gerechnet hatte.

Doch vor der Kommentierung zunächst die seltsame Geschichte einer Stellenausschreibung des "ReferentInnenRates" der Humboldt-Universität zu Berlin - das ist die erste Variante der Ausschreibung einer Stelle für eine studentische Hilfskraft in der Antidiskriminierungsberatung, laut PDF-Kopfdaten am 31.05.2021 um 20:38 Uhr erstellt.
Screenshot (Auszug), Quellen, gesehen bzw. gesichert am 26.08.2021:
https://www.refrat.hu-berlin.de/article/ausschreibung.adb2021.html
https://www.refrat.hu-berlin.de/docs/ausschreibungen/Ausschreibung_ADB_2021.pdf

Ausschreibung Antidiskriminierungsberatung ReferentInnenRat HU Berlin

Ausschreibung Antidiskriminierungsberatung ReferentInnenRat HU Berlin Dies ist die zweite Version der Stellenausschreibung, laut PDF-Kopfdaten am 11.08.2021 um 17:23 Uhr erstellt und am 14.08.2021 um 17:18 Uhr geändert. Weil sie mit der erforderlichen Korrektur des Datums (15.07. statt 15.09.2021 für den Tätigkeitsbeginn) den Text sowieso in der Bearbeitung hatte, war die Verfasserin der zweiten Version wohl der Meinung, dass sie diese Gelegenheit nutzen sollte, die Formulierung etwas zu schärfen und die Anforderungen hinsichtlich des ethnischen Phänotyps expliziter zu formulieren, woraus dann die "Bitte" an "weiße Menschen" resultierte, "von einer Bewerbung für diese Beratungsstelle abzusehen". Das wurde, obwohl es von der Verfasserin so lieb als Bitte formuliert war, von den oben genannten Medien als diskriminierend empfunden.
Screenshot (Auszug), Quelle, gesehen bzw. gesichert am 26.08.2021:
https://www.refrat.hu-berlin.de/docs/ausschreibungen/adb_Ausschreibung_Sep2021_final.pdf
Die HTML-Seite zur Ausschreibung und Datei sind seit dem 27.08.2021 online nicht mehr verfügbar, weil offenbar vom Server gelöscht.

Ausschreibung Antidiskriminierungsberatung ReferentInnenRat HU Berlin

Also ruderten die Jungakademiker im "RefRat" zurück und veröffentliche eine dritte Version der Ausschreibung der 12,68-Euro-Stelle, laut PDF-Kopfdaten am 26.08.2021 um 18:06 Uhr erstellt, in welcher "insbesondere Personen, die rassistische Diskriminierungserfahrungen machen" ermutigt werden, sich auf die Stelle zu bewerben.
Screenshot (Auszug), Quellen, gesehen bzw. gesichert am 28.08.2021:
https://www.refrat.hu-berlin.de/article/adb2021.html
https://www.refrat.hu-berlin.de/docs/ausschreibungen/adb_Ausschreibung_Sep2021_neu.pdf

Ausschreibung Antidiskriminierungsberatung ReferentInnenRat HU Berlin

Nun könnte man es damit bewenden lassen - wenn dieser Text nicht ein bemerkenswertes Beispiel für die, mit dem manipulierten und manipulativen Sprachverfall offensichtlich einhergehende, Idiotisierung des gesellschaftlichen Diskurses wäre. Zur Erinnerung - Idiotie ist nach André Glucksmann »keine Frage der Bildung oder der kognitiven Fähigkeiten - der Topos "Fachidiot" veranschaulicht das -, sie ist eine Geisteshaltung, nämlich die Anmaßung der Herrschaft über das Vorstellungsbild mittels der selbst angemaßten beziehungsweise vermeintlichen Herrschaft über den zuweisenden Code.« Ausführlicher hier:
https://www.mentopia.net/essays/150-dummheit-und-idiotie-eine-erweiterte-begriffsbestimmung
Der Text der Ausschreibung zeigt in allen drei Varianten exemplarisch, dass die ideologisierte Sprachmanipulation als Sprachverfall mittlerweile von der Syntax in die Semantik, von der Form in den Inhalt rutscht, wobei der wechselseitige Zusammenhang von Form und Inhalt gerade in der Sprache keine neue Erkenntnis ist. Ich habe die schmerzhaftesten Beispiel aus dem Text herausgesucht.

  • »Es handelt sich bei dem Job um eine Beratungsstelle zu rassistischer Diskriminierung.«
    Echt? Man kann sich dort also, so einem danach zumute ist, beraten lassen, wie man rassistisch diskriminiert? Genau DAS sagt die Formulierung, gemeint ist sicher eine "Beratung für rassistisch diskriminierte Menschen" resp. eine "Beratung im Fall rassistischer Diskriminierung"

  • »Die Beratungen finden aus parteilicher Perspektive statt. Parteilich bedeutet hier eine Beratung, die sich an den Bedürfnissen der ratsuchenden Person orientiert [...]«
    Nein, liebe Jungakademiker, das nennt man parteiisch. Parteilich ist eine Perspektive, wenn sie die Sicht einer Partei wiedergibt, denn parteilich ist eine Partei betreffend, wie Konrad Duden uns wissen lässt. Gemeint ist parteiisch, nämlich das für jemanden Eingenommensein, konkret für den rassistisch diskriminierten Menschen.

  • »In der Beratungsarbeit hat sich gezeigt, dass dies am besten gelingt, wenn der_die Berater_in Schwarz oder als Person of Color positioniert ist.«
    Dieser Satz ist von wahrhaft erlesener Dämlichkeit. Die Bewerberin oder der Bewerber muss nicht schwarz oder ein PoC sein, es genügt völlig, sich solcherart resp. als solcher zu "positionieren". Konrad Duden beschreibt den Begriff als "sich einordnen, sich in eine bestimmte Position oder Stellung bringen". Es genügt laut Ausschreibung also völlig, zu behaupten, man sei schwarz oder PoC.

  • »Der_die Bewerber_in sollte sich zutrauen, der zu beratenden Person emanzipative Unterstützung zu leisten [...]«
    Nein, sie sollten sich besser emanzipatorische Unterstützung zutrauen. Knapp daneben ist auch daneben - emanzipativ bedeutet "die Emanzipation beinhaltend", gemeint ist aber emanzipatorisch als "auf Emanzipation gerichtet, die Emanzipation betreffend", denn der ratsuchende Mensch sollte unterstützt werden, sich sowohl innerlich als auch im äußerlichen Handeln/Reagieren von der Diskriminierung und den emotionalen und demotivierenden Beeinträchtigungen durch diese zu emanzipieren. Anderes Beispiel - die Parteiprogramme der Grünen und der Linken bezeichnen sich in der Selbstdarstellung als emanzipativ, weil sie nach deren Sicht emanzipatorische Elemente beinhalten.

  • »Bewerbungen von disableisierten Personen (sog. Bewerber_innen mit Schwerbehinderung bei gleicher Eignung nach § 122 SGB IX) werden von uns bevorzugt berücksichtigt.«
    Mit der Formulierung "sog. Bewerber_innen mit Schwerbehinderung" beweisen die Lingualprofis vom "RefRat" der HU, dass sie zu dämlich sind, ein Adjektiv richtig zu setzen. So, wie es da steht sind die Bewerber "sogenannt", gemeint war wohl die Schwerbehinderung. Der Begriff "disableisiert" anstelle von "behindert" kommt hierzulande in letzter Zeit in Mode und ist, wie viele der vermeintlich politisch "korrekten" Begriffe, ein Import aus den USA.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ableism
    Lann Hornscheidt, die gleich nach Luther, den Brüdern Grimm und dem Geheimrat Goethe bedeutendste Fachkraft in Sachen deutsche Sprache, erklärt uns den Begriff im "Sprachleitfaden der AG Feministisch Sprachhandeln" so: »Ableismus ist das strukturelle Diskriminierungsverhältnis, das Nicht/beHinderung bzw. Dis/Ableisierung konstruiert. Personen, die in einer Gesellschaft nicht-beHindert sind, sind ableisiert.«
    https://feministisch-sprachhandeln.org/glossar/
    Alles klar soweit? Ich sehe (nicht nur) diesen Import aus dem Englischen sehr viel kritischer, weil das englische "disable", von dem er hergeleitet ist, sehr viel mehr beinhaltet und impliziert als der deutsche Begriff "behindert", nämlich beispielsweise "ab- bzw. ausschalten, inaktivieren, außerstand setzen, unfähig machen". Eine disabled person ist im Englischen neben "behindert" implizit auch "arbeitsunfähig, erwerbsunfähig, invalide" - und all das gibt der deutsche Begriff "behindert" nicht her, weshalb ich "disableisiert" für deutlich diskriminierender halte. In den Ohren derer, die diesen und ähnliche Begriffe verwenden, mag das irgendwie schicker, weil anglophon, und "neutral" resp. "nicht wertend" klingen. Das tut es aber nur, weil sie - bewusst oder unbewusst - Sprache als Transportmittel einer Ideologie verwenden. Ich halte solche Camouflage-Begriffe für eine Heuchelei als Resultat einer ideologisierten Idiotie (nach André Glucksmann), die als Ausdruck des Guten an und für sich daherkommen will.

  • Allerdings ist auch die dritte Version erstaunlich, denn die Ausschreibung gilt einem "Job um eine Beratungsstelle zu rassistischer, ethnizistischer und migrantistischer Diskriminierung", der eine Sensibilität für "Diskriminierungen durch trans*feindliche, sexistische und misogyne Verhältnisse" erfordert. Deshalb stellt sich die Frage, warum sich die "Ermutigung" zur Bewerbung lediglich an Menschen mit rassistischen Diskriminierungserfahrungen und nicht auch an ethnizistisch, migrantistisch, trans*feindlich, sexistisch und misogyn diskriminierte Menschen richtet. (Eine Erörterung der Sinnhaftig- resp. -losigkeit der Begriffe "ethnizistisch" und "migrantistisch" erspare ich mir.)

Warum mühe ich mich an solch grobem Unfug ab? Ganz einfach - weil wir es hier nicht mit Hauptschülern, sondern mit Absolventen von Deutsch-, Geschichts-, Philosophie- und PW-Leistungskursen zu tun haben, von denen man ein ausgeprägteres Sprachgefühl und fortgeschrittene Sprachfertigkeiten erwarten dürfte. Diese Leute sind die künftigen akademischen Eliten, in einigen Jahre wird man sie als Lehrende in Schulen und Universitäten, als "Medienschaffende" und in der Politik wiederfinden - die erste Generation der Idiotisierten ist jetzt schon am Wirken, wie Annalena die Fabelhafte fürwahr beeindruckend stets aufs Neue beweist.

Am 27.08. war auf Tele 5 der Film "Idiocracy" zu sehen - ich fand ihn nicht mehr so lustig wie früher. Nicht, weil ich den derb-drastischen Humor des Films als weniger schwarz und die Satire als weniger scharf empfunden hätte, sondern weil sich die Realität dem Film, seit ich ihn vor einige Jahren zum ersten Mal sah, ein kleines, aber unübersehbares Stück angenähert hat - und das ist nicht wirklich lustig. Allerdings wird es in der Realität - im Gegensatz zum Film - kein Happy End geben, es wird sich nicht der Intelligenteste unter den Idioten finden, der die Welt rettet.