Никто не хотел умирать - Niemand wollte sterben

Heute, am 10. September 2021, wäre Jegor Letow 57 Jahre alt geworden.

»Ich denke nicht, dass ich etwas Neues verrate, wenn ich sage, dass alles zum Teufel geht. Es liegt in der Luft, es ist meiner Meinung nach für jeden klar. Die Natur zeigt es uns fast täglich mit ihren wilden Überraschungen. Ich habe den Eindruck, dass eine bestimmte Phase und die Zivilisation, die sie repräsentiert (in ihren monströsen Formen), mit Verwerfungen und Katastrophen endet und eine neue beginnt. Mit neuen Ebenen, neuen Aufgaben. Wenn die einen weg sind, werden andere kommen. Wissen Sie, ich bin sehr pessimistisch - ich glaube nicht, dass die gesamte Menschheit plötzlich klug wird und anfängt, anders zu leben (vor allem nach dem, was geschehen ist). Die einzige Hoffnung ist, dass wenigstens ein paar gute Menschen, LEBENDE Menschen, überleben werden. Aber ich denke, sie werden nur eine neue Evolutionsstufe darstellen, vielleicht werden sie gar keine Menschen sein. Das Leben wird trotzdem weitergehen - es gibt keinen Tod.«

Auszug aus einem Interview, das Maksim Semeljak am 25. Mai 2007 mit Jegor Letow für die Zeitschrift "Русская жизнь" (Moskau) führte - hier die Originalquelle. Das Video wurde am nächsten Tag, den 26. Mai, im Б1 (seit 2017 ГлавClub) in Moskau anlässlich der "Зачем Снятся Сны?"-Tour ("Warum haben wir Träume?") zu Letows letztem Album aufgenommen. Hier das komplette Konzert:
https://www.youtube.com/watch?v=l7jtb-N9N1E

Никто не хотел умирать - Niemand wollte sterben
Jegor Letow

Verputzt mit Wut und Gips,
Das weißliche Zwielicht still im Kopf.
Verspannte Muskeln, geschwächte Venen,
Sie drückten auf den Knopf - die Gehirne wurden weich.

Und für diejenigen, die noch nie etwas gesehen haben -
Schließe deine Augen mit teilnahmsloser Hand.

Denn niemand wollte sterben,
Niemand hatte sich entschieden,
Niemand konnte wählen.

Der widerliche Geruch von getrocknetem Fisch,
Ein eiskalter Klumpen Elend.
Ein Rest Gedanken zwischen die Knie geklemmt,
Der Keller füllte sich mit einem schwachen Luftzug.

Und für diejenigen, die nie geglaubt haben -
Lass das Tor von innen zuschlagen.

Denn niemand wollte sterben,
Niemand hatte sich entschieden,
Niemand konnte wählen.

Das Haus steht seit Monaten leer,
Seit Monaten ein vernichtendes Urteil.
Ohne Weissagungen und Gedanken,
Emotionen fließen in den Abgrund des Schicksals.

Und für diejenigen, die nie gelebt haben -
Schenkt die Freiheit, sich an den Tisch zu setzen.

Denn niemand wollte sterben,
Niemand hatte sich entschieden.
Niemand konnte wählen.

Eigene Übersetzung, hier der Originaltext:
https://grob-hroniki.org/texts/go/t_el_n/nikto_ne_hotel_umiratj.html
Aufgenommen vom 12. bis zum 22. Januar 1988 im ГрОб-Studio, veröffentlicht auf den Alben "Боевой стимул" (1988) und "Тошнота" (1989) - beide магнитоальбо́мы (Magnitoalbom, von магнитофонный альбом, das bedeutet magnetofonisches Album) erstveröffentlicht. Das waren Musikalben, die in Ermangelung eines Musikverlages - seinerzeit bis zum Ende der Sowjetunion gab es nur den staatlichen Verlag "Мелодия" (Melodija, Melodie) für die Publikation von Unterhaltungsmusik - von den Musikern auf einem Tonbandgerät eingespielt wurde, anfangs auf einem Kassettengerät, ab 1988 benutzte Letow dafür ein Gerät vom Typ "Олимп-003-стерео". Dieses Masterband wurde auf einige Masterkassetten kopiert, die in der Sowjetunion verschickt, regional auf Musikkassetten vervielfältigt und in aller Regel kostenlos oder zum Selbstkostenpreis verteilt wurden. Ab 1991 wurden die meisten von Letows Alben als Vinylplatten und ab Ende der 1990er Jahres als CDs remastert und erneut veröffentlicht. Hier die Studioversion des Liedes:
https://www.youtube.com/watch?v=O-cxc78Q5XQ